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STUTTGART/ Staatsoper: MADAMA BUTTERFLY – glühende Emphase bis zum Schluss!

09.10.2021 | Oper international

„Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini in der Staatsoper am 8. 10.2021/STUTTGART

Glühende Emphase bis zum Schluss!

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Giorgio Berrugi (Pinkerton). Foto: Martin Sigmund

Man kann heute nur noch schwer nachvollziehen, warum die Uraufführung der „Madama Butterfly“ im Jahre 1904 in Mailand ein Fiasko war, enthält sie doch einige der wertvollsten melodischen Eingebungen Puccinis. In dieser Regiearbeit steht die Psychologie der Personen im Vordergrund. Die Inszenierung von Monique Wagemakers (Bühne: Karl Kneidl; Kostüme: Silke Willrett) stellt die Kontroverse einer bestimmten Kultur mit einer anderen Kultur ins Zentrum des Geschehens. Emotionen und Vorstellungen gehen auf der kahlen Bühne eine seltsame Verbindung ein. Madama Butterfly hat sich hier zu sehr entschlossen für den US-Leutnant Pinkerton, der sie dann wegen einer anderen Frau verlassen wird. Butterfly hat auch eine große seelische Verletzung durch den Tod ihres Vaters erlitten, der sich auf Befehl des Kaisers umbringen musste. Davon erzählt diese Handlung ebenfalls. Psychische Probleme bereitet ihr ebenfalls ihre Familie, die sie wegen der Liebe zu Pinkerton verstoßen hat. Aber für Wagemakers ist Butterfly kein Opfer, denn sie hat sich ganz bewusst für dieses Leben entschieden.

Die Personen sieht man zuweilen von einer imginären Höhe herab, so wirkt die gesamte Szenerie oftmals unwirklich. Natürlich geraten die asiatischen Bezüge eher in den Hintergrund. Butterflys Kind taucht erst in dem Augenblick auf, in dem es zu einem Synonym für die Bindung an Amerika wird. Ein Blumenmeer symbolisiert zuletzt Butterflys verloren gegangene Träume. Die Lichteffekte besitzen dabei eine ungeahnte Intensität. Und Pinkertons Frau wird sie unaufhörlich und  sensationsgierig mit der Kamera verfolgen. Diese Sequenzen gehören zu den stärkeren Eingebungen einer Inszenierung, die durchaus szenische Schwächen besitzt. So wirkt manches allzu technikbezogen, man sieht Pinkerton durch den Fernsehapparat. Durch die Fixierung auf die Rückkehr Pinkertons vernachlässigt Butterfly das Kind völlig. Auch diesen Aspekt arbeitet Monique Wagemakers recht überzeugend heraus. Für sie als Regisseurin ist es ebenso grotesk, wie Butterfly Fürst Yamadori empfängt, der sie unbedingt heiraten möchte. Sie wirft ihm schließlich das geschenkte Kimono-Gewand hinterher. Wenn Butterfly schließlich Selbstmord begeht, sieht man das Kind plötzlich in überdimensionaler Großaufnahme. Das tragische Geschehen scheint auf den Zuschauer zuzukommen. Das gehört dann auch zu den starken Bildern. Rein musikalisch ist diese Aufführung trotzdem ungleich überzeugender, mitreissender.

Das liegt zunächst an der ausgezeichneten Sopranistin Elizabeth Caballero als Cio-Cio San, die ihre Rolle stark verinnerlicht hat und auch mit strahlkräftigen Spitzentönen aufwartet. Bei ihrer zweiten Arie „Che tua madre“ blühen ihre Kantilenen in as-Moll regelrecht auf. Und bei ihren vehementen Oktavsprüngen kann sich Elizabeth Caballero sehr gut gegen die Orchesterfluten durchsetzen. Unter der Leitung von Valerio Galli musiziert das Staatsorchester Stuttgart sehr durchsichtig, trifft aber auch den dramatischen Nerv dieser Musik. Melodik und Klangfarben blühen immer wieder auf und inspirieren die anderen Sänger – allen voran die durchweg überzeugende Mezzosopranistin Maria Theresa Ullrich als Cio-Cio Sans Dienerin Suzuki, die hier aber keineswegs unterwürfig ist. Das Duett der beiden Frauen gehört zu den Höhepunkten dieser musikalisch reichen Vorstellung. Giorgio Berrugi agiert als Pinkerton mit markantem Tenor, der vor allem auch der lyrischen Emphase seiner Partie gerecht wird. Mit kernigem Bariton fesselt Serban Vasile als Konsul Sharpless. In weiteren Rollen überzeugen ferner Simone Jackel als Kate Pinkerton, Torsten Hofmann als Goro, Jorge Ruvalcaba als Fürst Yamadori, Gerard Farreras als Priester und Onkel Cio-Cio Sans, Daniel Kaleta als Yakuside und Onkel Cio-Cio Sans, Kyung Won Yu als kaiserlicher Kommissar. Hinzu kommen Sebastian Peter als Standesbeamter, Ines Malaval als Mutter Cio-Cio Sans, Claudia Riedel als Tante, Maja Tabatadze als Kusine sowie Yuna Liebehenschel als Kind. Die orchestrale Detailmalerei kommt bei dieser Wiedergabe sehr schön zum Vorschein. Und die Leitmotive und Tonsymbole werden facettenreich herausgearbeitet. Die Pentatonik macht sich nicht nur bei den Chorpassagen bemerkbar, wo der unter der Leitung von Bernhard Moncado feinsinnig agierende Staatsopernchor besonders positiv auffällt. Die sinfonischen Zwischenspiele schildern allesamt in aufwühlender Weise die erregenden seelischen Vorgänge Butterflys.  Das zarte Element dieser Musik steht in klarem Kontrast zu den schneidenden Holzbläser-Figuren, den drohenden tiefen Klarinetten und den gestopften Hörnern und Trompeten. Aber die Klänge entwickeln so zuweilen ein geradezu magisches Eigenleben und einen leidenschaftlichen Überschwang, der die Zuhörer ganz unmittelbar mitreisst und die Sänger zu weiteren Höhenflügen inspiriert. Übermäßige Dreiklänge, leere Quinten, Orgelpunkte, Bass-Ostinati, Ganztonfolgen und nuancenreiche Klangwechsel sind bei dieser transparenten Interpretation allesamt in klaren Konturen erkennbar. Die harmonische Entwicklung besitzt so einen langen Atem. Und dem Dirigenten Valerio Galli gelingt es, den großen dramatischen Atem dieser Musik glutvoll einzufangen. Gerade die parallel geführten Akkorde geben den Gesangsstimmen einen deutlichen Halt. Die klanglichen Kontraste erscheinen dadurch umso deutlicher. Das Schwert-Thema und der Fluch der Bonzen besitzen eine heftige dynamische Wucht.  Dies gilt auch für den tragischen Schlussakkord in h-Moll mit der Sexte G. Alles wirkt hier sehr direkt und unmittelbar. 

Viele „Bravo“-Rufe und starker Schlussapplaus – vor allem für Elizabeth Caballero als Butterfly.  Gefeiert wurden auch der Dirigent und das Staatsorchester

Alexander Walther

 

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