„Liedkonzert BEATE RITTER“ 21.12. 2022– „Als mir Dein Lied erklang“
Beate Ritter. Copyright: Matthias Baus
Während der Corona-Lockdowns hatten viele Künstler Gelegenheit Programme für spezielle Projekte auszuarbeiten. Nach ihrem Landsmann Michael Nagl bestritt nun auch die Oberösterreicherin Beate Ritter ein Liedkonzert – mit Virginie Déjos, seit 2015 Solorepetitorin in Stuttgart, als Partnerin am Klavier. Ritters Liebe zur französischen Musikliteratur und Déjos als Expertin auf diesem Gebiet brachte die beiden für dieses Unterfangen zusammen. Ausgangspunkt waren indes die zusammen geprobten Brentano-Lieder von Richard Strauss, woraus dann der Wunsch entsprang einen kompletten Liederabend zu veranstalten. Bei der Gegenüberstellung von deutschen und französischen Komponisten stellten sie dann fest, wie ähnlich die Aussagen zu immer wiederkehrenden Themen wie das Leben selbst sind, nur eben mit verschiedenen Sprachen und ihren Rhythmen und Klangfarben.
Franz Schubert und seine teils volksliednahe Liedkunst bilden allemal einen guten Einstieg für die menschliche Stimme. Beate Ritter benötigt jedoch kein Aufwärmen, von Anfang an ist sie vokal und interpretatorisch voll bei der Sache, preist die holde Kunst („An die Musik“), schwelgt in Freude („Seligkeit“), gleitet in Wellen übers nasse Element („Auf dem Wasser zu singen“) und feiert den Geliebten („Du bist die Ruh“) mit einem rein und strahlend zu voller Kraft anschwellenden und ausschwingenden Höhepunkt auf das Wort Glanz. Hier kommt bereits die Wärme ihrer Mittellage wie auch der helle Jubelton des oberen und Spitzen-Registers klar zum Vorschein. Zudem eine Wortverständlichkeit, wie sie in ihrem Fach des lyrischen Koloratursoprans eher eine Seltenheit ist. Zeichen nicht nur einer genauen Bemühung um sprachliche Details, vielmehr auch eines gesunden Stimmsitzes.
Wie organisch sie Mittellage und teils stratosphärische Höhen miteinander verbindet, beweisen sodann drei Lieder von Darius Milhaud, die viel Flexibilität seitens häufiger Tonhöhen-Wechsel („À une fontaine“, „À Cupidon“) oder Sinn für teils etwas dissonanten lautmalerischen Witz verlangen, wenn das Klappern einer Schwalbe als nervender Lärm imitiert wird – mit köstlich nach oben offener Schlusspointe („Tay toy babillarde Arondelle“).
Zurück ins deutsche Idiom und zu Hugo Wolf: auch hier ist Beate Ritter in ihrem Element, egal ob mehr beflügelt („Er ist’s“), leidvoll („Das verlassene Mägdlein“), traumschildernd („Elfenlied“) oder köstlich erzählend („Nixe Binsefuss“). Die nicht einfache Struktur der Melodieführung weiß Ritter mit farblicher Dynamik unter Spannung zu halten.
Mit „La danse de Puck“ aus den „Préludes pour piano“) leitet Pianistin Virginie Déjos als höchst konzentrierte wie mitgestaltende Pianistin solo über zu Liedern von Claude Debussy. In „Pantomime“, „Clair de lune“, „Pierrot“ und „Apparition“, kommt Ritters Fähigkeit sich in die Gefühle und Leidenschaften des französischen Idioms hinein zu versetzen, besonders natürlich zur Geltung. Da ist im sich Hinein versenken über die pure Tongestaltung hinaus Seelenverwandtschaft zu spüren, breitet sich der impressionistische Klangzauber auch dank der Pianistin atmosphärisch aus.
Nach einer Pause geht es weiter mit der Besinnung auf die viel zu jung verstorbene Lili Boulanger (1893-1918) und auf vier ihrer knapp, präzise und eindringlich komponierten Lieder („Elle était descendue au bas de la prairie“, „Elle est gravement gaie“, „Un poète disait“ und „Vous m’avez regardé avec toute votre ame“). Schlichten Tonansatz und dennoch dichte Expressivität vereint Ritter zu eindringlich nachdenklicher Wirkung.
Und zu guter Letzt noch jene bereits erwähnten Brentano Lieder, in denen Richard Strauss klangliche Intuition für Poesie und blühendes Melos greifbar wird. Mal andächtig („An die Nacht“), betrübt („Ich wollt ein Sträußlein binden“), rauschhaft („Säusle liebe Myrthe“), beschwörend (im Motto gebenden „Als mir dein Lied erklang“) oder keck („Amor“) – hier wird Ritters ideale Stimme für diesen Komponisten voll bewusst, liegen Rollen wie Sophie und Zerbinetta, die sie mit großem Erfolg vor Ort gesungen hat, recht nahe.
Und ihre an diesem Abend gleich mehrfach bewiesene Affinität fürs Französische samt exzellent bedienter Extremhöhe lässt an eine Ophélie („Hamlet“), Lakmé oder zeitnah auch die Juliette denken. Das wären nicht nur wünschenswerte Füllungen von Repertoire-Lücken, sondern zugleich Herausforderungen, die Künstlerin weiterhin mit attraktiven Aufgaben am Haus zu halten.
Ebenso zu wünschen sind weitere Liedprojekte mit der nicht nur begleitenden, sondern eigenständig gestaltenden Pianistin wie Virginie Déjos.
Gemessen am künstlerischen Ertrag, den Ritter bei heiter komischen Momenten mit einem darüber hinaus wirkenden Lachen krönt, wäre auf dieses so gar nicht winterliche, insgesamt eher beschwingt frühlingshafte Liedprogramm ein durchaus etwas euphorischeres und länger anhaltendes Echo verdient gewesen.
Udo Klebes