Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/ Staatsoper: Liederabend MICHAEL NAGL / THOMAS GUGGEIS“. Nacht und Träume

15.04.2022 | Konzert/Liederabende

Staatsoper Stuttgart

„Liederabend MICHAEL NAGL / THOMAS GUGGEIS“ 14.4.2022 – Nacht und Träume

Fotos | Michael Nagl
Michael Nagl. Foto: Matthias Baus

Liederabend-Projekten gehen meist umfangreiche Recherchen und entsprechend lange Vorbereitungszeiten voraus. So reifte z.B. bei diesem Programm die Idee bereits vor drei Jahren, als Michael Nagl vom Opernstudio ins Ensemble der Staatsoper übernommen wurde und Thomas Guggeis für leider nur kurze Zeit Staatskapellmeister am Haus war. Das Kooperations-Angebot der Stuttgarter Hugo Wolf-Gesellschaft bildete schließlich den Startschuss für das gemeinsame Unternehmen, unter dem Motto „Nacht und Träume“ ein Programm zusammen zu stellen. Die Romantik liefert dafür in allen ihren Phasen ein reichhaltiges Reservoir. Die Nacht als Sehnsuchts- und Zufluchtsort, aber auch als Reich des Todes (-schmerzes) und der Trauer.

Sogleich der Einstieg mit drei Liedern von Hugo Wolf bot Einblick in die künstlerischen Ansprüche der beiden Interpreten als Partnerschaft, bei der Gesangsstimme und Klavierpart absolut gleichbedeutend sind. Reizvoll ist auch, dieses meist von den oberen und mittleren Stimmfächern bediente Liedrepertoire von einem Bass serviert zu bekommen, auch wenn der von der Musikhochschule seiner Heimatstadt Wien 2016 mit gerade mal 21 Jahren ins Stuttgarter Opernstudio gekommene Michael Nagl wie heute die allermeisten Vertreter dieses Stimmfachs kein ausgeprägter Bass, sondern ein Bass-Bariton ist, für den Höhen kein Extrem darstellen und dennoch eine dunkle Tiefe vorhanden ist. Zu dieser Einordnung passt auch sein bevorstehendes Engagement als Papageno bei den Salzburger Festspielen – einer Partie, die gewiss kaum mit Bassisten assoziiert wird.

In den erwähnten drei Hugo Wolf-Piecen nach Gedichten von Michelangelo Buanarotti („Wohl denk ich oft“, „Alles endet, was entsteht“, „Fühlt meine Seele“) verlangt der eher schwermütige Charakter des Reflexierens von Entstehung und Vergänglichkeit hohes gestalterisches Einfühlungsvermögen in die recht freie Rhythmik durch eine feine Abmischung der Farben. Die leicht nach vorne gebeugte Körperhaltung zeugt von einem Interpreten, der es versteht sich ganz in die jeweilige Stimmung zu versenken. Und dies ohne Spannungsverluste und Abweichungen tun kann, weil ihn Thomas Guggeis wie auf Händen trägt, auch wenn die Klavierstimme mal dezent im Hintergrund bleibt. Es verwundert nicht, dass der bereits in seinen jungen Jahren eine außergewöhnliche Karriere hinlegende Dirigent seine Fähigkeiten an einfühlsamer Strukturierung und lebhafter Gestaltung auch als Pianist beweist. Als nicht begleitender, sondern als inspirierender und gleichwertig mitziehender Partner. Davon profitiert Michael Nagl und durch beider Verschmelzung das gesamte Programm.

Hugo Wolf folgen die fünf Rückert-Lieder von Gustav Mahler mit ihrer orchesternahen Tiefschichtigkeit, die von Guggeis bereits in mancher Einleitung, aber auch langem Nachklingen wie dem besonders suggestiven „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ mit so viel Atem erfasst wird, dass es wie eine Vorzeichnung oder Verlängerung von Nagls hochkonzentriertem Einsatz wirkt. Hier macht sich bei kraftvollerer Entäußerung die bislang bewiesene Opern-Kompetenz des Sängers wie auch seine Fähigkeit bemerkbar, aus einer Forte-Höhe plötzlich und ohne Bruch und künstlich anmutendes Gestaltungsmittel in ein Legato oder gar ein Piano zurück zu gehen.  Die Stimme trägt in allen Lagen vom erschütternden Ausbruch bis zum fast tonlosen Moment.

In den ohne Pause anschließenden sechs Liedern von Franz Schubert, wobei bewusst als Gegenüberstellung je zwei Varianten des Komponisten von „Des Wanderers Nachtlied“ und „An den Mond“  ausgewählt wurden, wechselt Nagl dann zum passend leichteren, intimeren Tonfall häuslichen Musizierens und volkstümlicher Nähe. Sein Bass-Bariton lichtet sich zu wärmender Innigkeit, jederzeit rhythmisch pointiert unterstützt vom Pianisten.

In den abschließenden drei Liedern von Richard Strauss („Nachtgang“, „Traum durch die Dämmerung“, „Morgen“) vereinen sich dann melodisches Flair und klanglicher Zauber, von beiden Künstlern mit einer Ernsthaftigkeit und Lust erfüllt, die im übrigen das ganze Konzert in einem Schwebezustand hielt, der noch lange nachwirkte. Und zudem nach viel Schwermut mit der Zuversicht endete, dass morgen die Sonne wieder scheinen wird.

Mit Schubert bedankten sich beide Künstler für den großen Applaus im festlichen Foyer des ersten Ranges der Staatsoper. Hoffen wir auf ihrer beider Zusammenarbeit für weitere solche Projekte.

 Udo Klebes  

 

 

 

 

 

Diese Seite drucken