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STUTTGART/ Staatsoper: L’ELISIR D’AMORE – die Anbetung eines Gurus.

06.11.2022 | Oper international

Donizettis „L’elisier d’amore“ am 6.11.2022 in der Staatsoper/STUTTGART

Die Anbetung eines Gurus

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Adina. Foto: Martin Sigmund

 In der subtilen Inszenierung von Anika Rutkofsky sieht man anstatt eines italienischen Dorfes ein riesiges Forschungslabor, wo Nemorinos schüchternes Werben bei der eher draufgängerischen Adina nicht so richtig ankommt. Sie findet aber Gefallen an dem frechen Sergeanten Belcore. Als der Wunderdoktor Dulcamara ins Dorf kommt, weiß man gleich, dass man es hier mit einem raffinierten Guru zu tun hat, der von allen angebetet und bedingungslos verehrt wird. Die komödiantischen Effekte dieser Inszenierung sind dabei unübersehbar. Anika Rutkofsky achtet aber auch auf eine stringente Personenführung. Von diesem seltsamen Zauberdoktor erhält der reichlich naive Nemorino einen Liebestrank.  Die Wirkung ist aber nicht groß, denn gegenüber Adina zeigt er jetzt eine große Gleichgültigkeit. Anika Rutkofsky arbeitet die komischen Momente hier überzeugend heraus. Adina möchte deswegen aus verletzter Eitelkeit heraus Belcore erhören. Nemorino ist verzweifelt und bestellt einen neuen Liebestrank bei Dulcamara, den dieser jedoch nur gegen Bargeld anbietet. Deswegen lässt sich Nemorino bei Belcore als Soldat anwerben. Dieser ist sich sicher, den Nebenbuhler dadurch ausschalten zu können. Im Dorf verbreitet sich die Nachricht, dass Nemorinos Onkel gestorben und dieser Alleinerbe geworden sei. Man sieht nun einen riesigen Pflanzengarten mitsamt einem überdimensionalen Gewächshaus, in dem ungehemmtes Wachstum besteht. Hier steuert diese einfallsreiche Inszenierung auch ungebremst auf ihren dramaturgischen Höhepunkt zu. Alle Mädchen des Dorfes bekunden  nämlich jetzt großes Interesse für den Glückspilz, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Doch Adina lässt nicht locker: Zum Beweis ihrer echten Liebe kauft sie Nemorino vom Militärdienst los und gibt Belcore den Laufpass. Der unverwüstliche Dulcamara nutzt diese Situation zum Verkauf seiner Wundergetränke, die sogar zu Reichtum verhelfen.

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Dulcamara. Foto: Martin Sigmund

Die originelle Inszenierung von Anika Rutkofsky mit dem weiträumigen Bühnenbild von Uta Gruber-Ballehr und den Kostümen von Adrian Stapf erzählt viel. Der hypnotisch agierende Arzt Dulcamara hat Anhänger wie in einer Sekte. Zuweilen bewegt er sich wie in Trance. Die Inszenierung will auch dazu einladen, zu fragen, was denn dieser ominöse Liebestrank alles sein könnte. Neben diesen seltsamen Verwandlungen geht es aber auch um die Kraft des Glaubens. Obwohl Nemorino weiß, dass es sich nur um Wein handelt, glaubt er an die Wirkung dieses Symbols. Er hofft zugleich auch auf eine Veränderung seiner hoffnungslosen Situation – und so glaubt er an Magie und Zauberei. Davon lebt diese hintersinnige Inszenierung. Die Wirkung des Tranks tritt ein, noch bevor er überhaupt getrunken wurde. Und er verändert natürlich Adinas Blick auf Nemorino. Das arbeitet diese Regiearbeit gut heraus. Adina und Dulcamara brauen sich in ihrem Duett gegenseitig Tränke. Sie schüttet Dulcamaras Trank weg  – und genau an dieser Stelle wächst ein obskures neues Gebräu. Und bei Adina beginnt der Kontrollverlust, als Nemorino den Trank einnimmt. Das sind verzwickte Situationen mit satirischen Zuspitzungen, die die komödiantische  Qualität dieser Aufführung steigern. Adina verliert plötzlich die Sicherheit ihres Weltbildes. Sie wird mit einem Gefühlschaos konfrontiert, dass sie nicht beherrscht. Sie wirkt im ersten Akt wie eine Forscherin, gleichzeitig erzählt die Inszenierung etwas von der Hinwendung zu einem einfachen Leben auf dem Land. Der Firmenname Paradiso ist eine Anspielung auf die künstliche Neuschöpfung der Welt unter einem riesigen Reagenzglas. Am Ende wird der Guru Dulcamara von allen aufgefressen.

Musikalisch gelingen dem Staatsorchester Stuttgart unter der inspirierenden Leitung von Michele Spotti immer wieder Passagen von hohem klanglichem Reiz. Blühendes melodisches Leben und Buffolaune verbinden sich reizvoll mit einem feinen Parlando-Ton. Auch die musikalische Charakteristik der Personen kommt nicht zu kurz. Claudia Muschio ist eine hervorragende Adina, deren bestrickende Koloraturen nur so hervorsprudeln. Und auch der wandlungsfähige Tenor Charles Sy als Nemorino vermag seiner Rolle viele Facetten abzugewinnen. Dies zeigt sich vor allem bei seiner Romanze „Wohl drang aus ihrem Herzen“ (mit obligater Harfe und Englischhorn). Ein weiterer Höhepunkt ist die parodistische Barcarole „Holdes Kind, ich hab Dukaten“. Johannes Kammler (Bariton ) ist ein markanter Belcore. Und Giulio Mastrototaro (Bass) zeigt als Dulcamara stark witzige Seiten.  Ebenso gefällt Laia Valles (Sopran) als  junge Bäuerin. Das scherzhafte Fagott bei der Einleitung „Una furtiva lagrima“ bleibt ebenfalls stark im Gedächtnis. Und natürlich hat der von Bernhard Moncado und Manuel Pujol sorgfältig einstudierte Staatsopernchor wieder eine Sternstunde. Leidenschaftliche melodische Linienführung herrscht vor.

Dementsprechend gab es begeisterten Schlussapplaus des Publikums.

Alexander Walther

 

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