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STUTTGART/Staatsoper: „LE NOZZE DI FIGARO“ – im Zeichen der Pensionierung von Helene Schneiderman

06.07.2022 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „LE NOZZE DI FIGARO“ 4.07. 2022 – im Zeichen der Pensionierung von Helene Schneiderman

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Helene Schneiderman war der eigentliche Mittelpunkt des Abends. Foto: Staatsoper Stuttgart

Im Mittelpunkt dieser letzten Vorstellung einer Aufführungsserie von Mozarts genialer Opera buffa stand die Mezzosopranistin Helene Schneiderman. Nach 38 Jahren im Ensemble wurde sie jetzt den Statuten gemäß in Pension geschickt. Wie Opernintendant Victor Schoner vor Beginn erläuterte, bedeutet dies noch keinen Bühnenabschied, denn die 1982 aus Amerika nach Deutschland gekommene und nach zwei Jahren in Heidelberg von der Stuttgarter Oper unter Vertrag genommene Künstlerin wird weiterhin als Gast zu sehen sein und auch wie in all den Jahren davor internationalen Verpflichtungen an bedeutenden Stätten folgen. Für einen Rückzug aus dem Rampenlicht gäbe es indes auch keinen Grund, versprüht die allseits beliebte und geschätzte Sängerin sowohl vokal als auch in der Wärme ihrer Ausstrahlung einen jung gebliebenen frischen Charme. In ihrem Fach als lyrischer Mezzosopran hat sie eine riesige Spanne an Partien von der Alten Musik bis zur Moderne abgedeckt und bietet dank ihres nie über die natürlichen Grenzen gegangenen Einsatzes und ihrer Technik heute noch Voraussetzungen, die ihre jetzt vorwiegend im Charakterfach angesiedelten Rollen reif und doch gleichzeitig noch gut im Saft stehend erlebbar machen.

Und so war sie nun bei ihrer Pensionierung noch einmal als eine Marcellina zu bestaunen, die glaubhaft Mutter aber auch eine um keine Avancen verlegene Frau ist, wobei ihr die in dieser Inszenierung gestrichene Arie bei diesem Anlass durchaus noch zu gönnen gewesen wäre. Außerdem hätte sie sich ein anderes szenisches Umfeld verdient gehabt als das sich in reichlich albernem Slapstick ergehende Regiekonzept von Christiane Pohle. Auf die hier in einem Ikea-Ausstattungshaus mit zahlreichen immer wieder verschobenen Doppelbetten, die sich später zu einzelnen parallelen Kabinen und dann zu einer Zimmerflucht verdichten, angesiedelte Geschichte lohnt es sich trotz einiger handlungsimmanenter Grundgedanken nach der Erstbesprechung im Dezember 2019 nicht mehr weiter einzugehen. Von einer geistreichen Komödie, wie sie Beaumarchais bzw. da Ponte im Verbund mit Mozart konzipiert hatten, ist das alles weit entfernt.

So musste mal wieder die musikalische Seite einen Abend retten und die szenischen Fragwürdigkeiten im Großen und Ganzen auffangen. Aus dem in allen Hauptpartien umbesetzten Ensemble ragte Björn Bürger als in seiner Mischung aus Macho und wendiger Eleganz wie auch seines baritonalen, technisch wie nuancenreichen Glanzes vollkommen überzeugender Graf heraus. Serena Farnocchia ist eine passend damenhafte und teils etwas larmoyante Gräfin mit schon etwas reifem, aber geschmackvoll phrasierendem Sopran, der bei Forte-Höhen leicht spitz wird. Ihre Landsmännin Claudia Muschio, aus dem Opernstudio hervor gegangen, servierte die Susanna mit viel spielerischem und vokalem Biss in ihrem leicht dunklen, fast schon etwas über dieses leichte lyrische Fach hinausweisenden Sopran. Andreas Wolf stattet den Figaro mit viel Lockerheit und einem fülligen Bass aus, der in der Tiefe zum Flachwerden und in der Höhe zu leichtem Überdruck neigt. Diana Haller führt als Cherubino, dessen Geschlecht hier nie ganz klar ist, ihren kräftigen Mezzo rollengemäß auf Mozarts Bedürfnisse herunter und bleibt nebst ihrer Spielfreude auch so eine Perle erfüllten Gesanges.

Bariton Shigeo Ishino kann trotz hinreichend Ausdrucks als Bartolo nicht verhehlen, dass ihm die für einen Bass notierte Partie zu tief liegt. Heinz Göhrig ist als süffisant intriganter Basilio eine charakterdarstellerische Ideal-Besetzung mit kaum reduzierten tenoralen Mitteln. Aus dem Opernstudio sind Laia Vallés als schon recht sopran-üppige Barbarina sowie Gerard Farreras als Antonio bzw. Alberto Robert als Don Curzio rollendeckend vertreten. Die kleine Formation des Staatsopernchores Stuttgart (Einstudierung: Bernhard Moncado) deckte seine ihre kurzen Auftritte wie immer sicher und zuverlässig ab. Das Staatsorchester Stuttgart steuerte unter der Leitung des sehr auf die Musiker eingehenden Christopher Moulds jenen Tiefgang bei, den die Szene fast durchgehend versagte.

Im Mittelpunkt der allgemeinen Begeisterung für die musikalischen Darbietungen stand natürlich Helene Schneiderman, die in der Hochzeitsszene des dritten Aktes mit der köstlich präsentierten Einlage „I am easily assimilated“ aus Bernsteins „Candide“ daran erinnerte, wie gerne sie auch die sogenannte Leichte Muse, das Musical bedient, wie wohl sie sich darin fühlt. Die stehenden Ovationen galten nicht nur der Sängerin, deren Herzlichkeit in ihrer Stimme mitschwingt, sondern auch dem Menschen Helene Schneiderman, die aller Allüren fremd, sich in den Dienst vieler auch kleiner Rollen allerlei Couleur stellte, und als Humanistin um den Fortbestand und die Erinnerung an die jüdische Kultur ihrer Eltern weiterhin bemüht im Einsatz ist. Riesigen DANK für viele unvergessliche Stunden sagt

Udo Klebes

 

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