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STUTTGART/ Staatsoper: „LA FEST“ – eine Musiktheaterkreation von Eric Gauthier. Sinnenfreudige Unterhaltung

09.03.2025 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „LA FEST“ – eine Musiktheaterkreation von Eric Gauthier 7.3. 2025(WA 22.2.) – sinnenfreudige Unterhaltung

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Diana Haller im Mittelpunkt des Festes mit Tänzern. Foto: Matthias Baus

Eric Gauthier, Stuttgarts einstiger Tänzer, Choreograph, Musiker und Conferencier, garantiert nicht nur als Leiter seiner Gauthier Dance Company im Theaterhaus für ausverkaufte  Vorstellungen. Auch im Opernhaus, wo er im Auftrag von Intendant Victor Schoner im Dezember 2023 seine erste Opernregie zur Uraufführung gebracht hatte, stößt der stets locker mit dem Publikum kommunizierende Künstler auf rege Nachfrage. Statt der Auseinandersetzung mit einem bestehenden Werk wählte er die Kreation eines ganz speziellen Programms mit dem Thema „Feste“, die im Leben jedes Menschen irgendeine, wie auch immer geartete Rolle spielen. Als musikalische Komponente wählte er mit dem Dirigenten Benjamin Bayl aus der Zeit des von ihm sehr geschätzten Barock hauptsächlich unbekanntere Ouvertüren, Tänze, Chöre und Arien aus, die wie zu dieser Epoche üblich häufig einen tänzerischen Charakter hatten, als Pasticcio arrangiert wurden.

Um den Ablauf nicht als total beliebiges Unterhaltungs-Spektakel erscheinen zu lassen, stellt er eine hochbetagte Dame, die anlässlich eines runden Geburtstages auf die Feste ihres Lebens zurück blickt, in den Mittel bzw. Ausgangspunkt des Geschehens, das dramaturgisch von Miron Hakenbeck und Carmen Kovacs aufgebaut wurde. Der Stimmungsbogen reicht dabei von rauschender Ausgelassenheit bis zu melancholischer Nachdenklichkeit.Vor dem eigentlichen Fest erläutert Gauthier sein Konzept in einem Einführungsteil, in dem er auch die einzelnen Mitwirkenden, also Solo-Festgäste sowie acht Tänzer und Tänzerinnen vorstellt und das Publikum durch einfache Sing-Übungen und eine die Choreographie unterstützende Gebärdensprache selbst aktiv werden lässt. Die von Susanne Gschwender konzipierte Bühne gleicht einem Festsaal mit Schachbrett-Muster-Boden, auf dem der vielfältig eingebundene Chor drei Festtafeln errichtet, die dann später für Spiele und Tänze wieder abgebaut werden. Dahinter sitzt das Orchester auf einem mehrstufigen Podium oder etwas nach vorne gerückt für kleinere Einsätze der Continuo-Gruppe. Die bunten und stilistisch freien Festkostüme sowie Einheits-Livreen in lila/grün für die Dienerschaft hat Gudrun Schretzmeier entworfen.

Anfangs sitzt die alte Dame zusammengekauert und eingefallen in einem Korb-Rollstuhl. Wenn sie sich dann mit Hilfe einer Dienerin zu einer vornehmen Dame mit elegantem Mantel mit hohem Kragen und roten Stöckelschuhen verwandelt, sich im Laufe ihrer Revue passierenden Vergangenheit wieder zu einer jungen Frau im gelben Ballkleid mutiert und am Schluss wieder in den Ausgangszustand zurück versetzt wird, macht bewusst, was Maskenbildnerei vermag. Diana Haller verkörpert die Protagonistin wieder mit ihrer darstellerischen Imaginationskraft, Temparament und Ausstrahlung, dem auch ihr weit reichender vokaler Spannungsbogen von intimer Verlautbarung bis zur entwaffnend vollsaftigen Lautmalerei entspricht. Wie aus dem Nichts anschwellende und bis ins strahlende Forte anschwellende und wieder zurück gefahrene Linien und nie in bloße Virtuosität kippende Koloraturketten bilden auch diesmal wieder musikalische Höhepunkte.

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Claudia Muschio – glanzvoll unter den Gästen (2023). Foto: Matthias Baus

Zu den Solo-Gästen ( u.a.ein sich immer wieder kappelndes Liebespaar, eine Begleitung suchende Single-Frau, ein mit dem Krawattenbinden kämpfender junger Mann) gehörten erneut Claudia Muschio mit ihrem apart timbrierten, beweglichen und immer kräftiger werdenden Koloratur-Sopran mit feiner lyrischer Qualität, Natasha Te Rupe Wilson mit etwas leichterem, zunehmend klar ausschwingenden Sopran, Alberto Robert, der 25jährige aus dem Opernstudio hervorgegangene Mexikaner mit schmeichelnd weichem und biegsamem Tenor, Yuriy Mynenko mit seinem im Laufe des Abends an Kontur gewinnendem Countertenor und als einziger neu dabei Elliott Carlton Hines, ebenso Opernstudio-Gewächs, mit an Fülle und Resonanz gewonnenem dunklem Bassbariton.

Die frei schaffenden TänzerInnen Bruna Andrade, Rosalia Pace, Sarah Kiesecker, Chiara Viscido, Matthias Kass, Alessio Marchini, Jonathan Reimann und Simo Hüglin sind vielfältig ins Fest einbezogen, wobei sich letzterer ganz besonders mit seinen Breakdance-Einlagen hervortut und mehrmals mitten hinein Applaus auslöst. Die alte Dame als junges Mädchen war an diesem Abend aus dem Kinderchor mit Lia Grizelj berührend gut in Gesang und leichter Choreographie besetzt. Für letztere zeichnet natürlich auch Eric Gauthier verantwortlich.

Der Staatsopernchor (Einstudierung: Manuel Pujol) ist wie immer voll auf dem Posten, d.h.mischt sich sanges- und spielfreudig, ja auch tänzerisch bewegt, ins Geschehen.

Benjamin Bayl hat die rund vierzig ausgewählten Musiknummern, die einen Großteil des musikalischen Barock in Italien, Frankreich, Deutschland und England von ca. 1600-1760 abdecken und sowohl von Berühmtheiten wie Bach, Händel, Telemann, Vivaldi, Cavalli, Lully oder Purcell und auch Unbekannteren wie Riccardo Broschi, Marin Marais, Tarquino Merula oder Jean-Féry Rebel stammen, mit dem sehr lebhaft und stimmungsvoll gestaltenden, manchmal etwas auf Kosten tonlicher Sauberkeit gehenden Staatsorchester Stuttgart farb- und energiegeladen präsentiert. Und weil der Dirigent an diesem Tag Geburtstag hatte, wurde ihm über den Jubel für die anderen hinaus eine besondere Ovation zuteil.

Gesamtheitlich betrachtet ein Stück unkonventioneller Oper, in der Zusammenstellung aber doch nah an den Gepflogenheiten der Epoche, das das Zeug zum Dauerbrenner im Repertoire hat.

Udo Klebes 

 

 

 

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