Konzertgala „Von allen guten Geistern…“ am 15.9.2024 in der Staatsoper/STUTTGART
Gespenster und moderne Poesie
Stine Marie Fischer. Foto: Matthias Baus
Mit Glühbirnchen, einer Riesenbrezel und einem rustikalen Tisch wartete diese stimmungsvolle Konzertgala zum Saisonauftakt unter dem vielsagenden Motto „Von allen guten Geistern…“ auf. Nicht ohne Ironie führten der Künstler Maeckes und die Altistin Stine Marie Fischer durchs Programm. Es huschten auch richtige Gespenster über die Bühne. Unter der inspirierenden Leitung von Lin Liao musizierte das vorzügliche Staatsorchester Stuttgart zunächst das reizvolle Märchenbild für Orchester „Der verzauberte See“ von Anatolij Liadow. Es stammt aus dem Fragment gebliebenen Opernprojekt „Sorjuschka“. Die Abwesenheit des Menschen erscheint hier sehr melancholisch, man spürt die schwelgerische Harmonik von Rachmaninow und Skrjabin. Von Maeckes erklang dann im Arrangement von Tristan Brusch mit der klangschön intonierenden Altistin Stine Marie Fischer „bucketlist“ und „oh schönheit, du biest“. Manche Klänge erschienen hier mit Wiederholungen in einer fast spätromantischen Aura – aber nie langweilig. „Shaker Loops“ von John Adams konfrontierten das Publikum mit minimalistischer Musik und eigenwilliger Rhythmik, die sich immer weiter verfeinerte. Elliott Carlton Hines (Bass) faszinierte das Publikum mit präziser rhythmischer Intonation bei „The Cold Song“ aus „King Arthur“ von Henry Purcell. Modal gefärbte Harmonik und atemberaubende Chromatik traten hier hinzu, so war alles von elektrisierendem Feuer erfüllt. Jewgeni Schuk (Solovioline) brillierte zusammen mit dem Staatsorchester Stuttgart bei „L’autunno“ („Herbst“) aus „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi op. 8. Nr. 3, wo der erste Satz mit reizvollen al-fresco-Wirkungen und kontrastierenden Themen bestach. Von Max Richter erklang zudem eine originelle Bearbeitung des „Herbstes“ („Autumn 3“) mit dem Titel „Recomposed: Vivaldi – The Four Seasons“. Schräge Klangflächen korrespondierten hier mit einem rhythmisch fast schon expressiven Satzbau. Sehr interessant war dann auch „Dialog mit Mozart“ als Da capo für Orchester von Peter Eötvös. Kühnheit und Strenge der kompositorischen Form vermischten sich dabei mit Dodekaphonie, Pizzicato sowie Anklängen an Komponisten wie Edgar Varese, Frank Zappa, Bartok und Strawinsky. Ein weiterer Höhepunkt war der „Gesang der Geister“ aus „Manfred“ von Robert Schumann.
Alma Ruoqi Sun. Foto: Matthias Baus
Aufgrund der gut zueinander passenden Gesangssolisten Alma Ruoqi Sun (Sopran), Stine Marie Fischer (Alt), Joseph Tancredi (Tenor) und Elliot Carlton Hines (Bass) erhielt die thematische Substanz eine gebührende Würdigung. Grandios waren die Koloraturen von Alma Ruoqi Sun (Sopran) bei der kontrapunktisch brillanten Arie „Glitter and Be Gay“ aus „Candide“ von Leonard Bernstein. Von Maeckes erklang der „liebesbrief von der f“ im stimmungsvollen Arrangement von Tristan Brusch mit ziemlich hintersinnigem Humor: „…und ich schreib dir diesen Brief von der Front.“ Im Arrangement von Hans Werner Henze sang Stine Marie Fischer (Alt) wunderbar innig und traumverloren „Im Treibhaus“ aus den „Wesendonck-Liedern“ von Richard Wagner. Da spürte man den Zauber von „Tristan und Isolde“ deutlich. Dann war noch einmal „orangerot“ im Arrangement von Tristan Brusch von Maeckes zu hören. Alma Ruoqi Sun (Sopran), Joseph Tancredi (Tenor) und Elliot Carlton Hines (Bass) ließen die Melodiefetzen im Hip-Hop-Stil rhythmisch feinnervig erklingen. Zuletzt erklang noch die Pavane für Orchester fis-Moll op. 50 von Gabriel Faure mit einer ansprechenden tänzerischen Darbietung. Die umsichtige Dirigentin Lin Liao traf auch hier mit dem exzellenten Staatsorchester Stuttgart den sphärenhaft-impressionistischen Ton ganz ausgezeichnet. Klare Strukturen, dezente Farbigkeit und poesievolle Andeutungen betörten hier die Zuhörer, die begeisterten Schlussapplaus spendeten.
Alexander Walther