Konzert des Opernstudios in der Staatsoper am 12.1.2022/STUTTGART
Opulente Klangfülle
Vier hoffnungsvolle Talente des Opernstudios stellten sich im Foyer der Staatsoper vor. Den Anfang machte der mexikanische Tenor Angel Macias bei Franz Schuberts „Vier Canzonen“ D 688, wo er von dem Pianisten Vlad Iftinca sehr einfühlsam begleitet wurde. Sie sind eine Liebeserklärung an eine unbekannte Geliebte, während der Protagonist untergeht. Thematischer und harmonischer Reichtum blühten hier bei den einzelnen Liedern „“Nähere Dich nicht der Urne“, „Schau, wie hell der Mond ist!“, „Von diesem Antlitz“ sowie „Mein Lieb, erinnere Dich“ leuchtkräftig auf. Angel Macias entlockte seiner Stimme viele Klangfarben und feine dynamische Abstufungen. Auch der lyrisch-introvertierte Charakter dieser Musik kam nicht zu kurz.
Eine Überraschung war ebenfalls die aus Großbritannien stammende Sopranistin Clare Tunney, die drei Lieder von Peter Tschaikowsky mit leidenschaftlicher Emphase und großem Ausdrucksvolumen interpretierte. Die drei Lieder „Glaub nicht, mein Freund“, „Zufällig inmitten des Balles“ und „Damals im jungen Frühling“ besaßen auch aufgrund der inspirierenden Klavierbegleitung von Vlad Iftinca eine geheimnisvolle Verbundenheit, deren Intensität immer mehr zunahm. Schwelgerisch und aufrührerisch-wild gestaltete Clare Tunney diese Lieder, deren originelle Thematik sich hier tief einprägte.
Der aus Spanien stammende Bassist Gerard Farreras überzeugte dann bei den zwei Liedern „Liegend auf dich nur die Blumen“ und „Ich ahnte dich wie das Meer“ des spanischen Komponisten Frederic Mompou mit sonorer Grundierung und prägnanter Artikulation. Der Improvisationscharakter dieser Musik stach deutlich hervor, poetischer Klangsinn zeigte sogar eine gewisse Nähe zu Debussy.
Hervorragend war auch der Eindruck, den die aus Belgien stammende Mezzosopranistin Linsey Coppens bei Alban Bergs „Sieben Frühe Lieder“ hinterließ, wo sie von Vlad Iftinca sehr expressiv am Klavier begleitet wurde. Die Stimme wandelte sich bei einzelnen Liedern wie „Nacht“, „Schilflied“ oder „Die Nachtigall“ von der Ekstase des Ausdrucks zur Ekstase der Strukturen, wobei die Flut der chromatischen Schritte oftmals eine geradezu überwältigende Wirkung hatte, die nicht nachließ. Beide Künstler betonten vor allem die romantische Seite des frühen Alban Berg – aber man konnte schon den aufwühlenden Charakter der Oper „Lulu“ mit ihren seriellen Passagen manchmal erahnen. Diese Assoziation war überaus reizvoll und musikalisch inspirierend – und Linsey Coppens erreichte mit ihrem Mezzosopran eine überaus strahlkräftige Höhenlage.
Zum Abschluss begeisterten dann alle vier Sänger zusammen mit Vlad Iftinca bei Robert Schumanns Komposition „Spanisches Liederspiel“ opus 74 nach Dichtungen von Emanuel Geibel, weil die harmonischen Verbindungen dabei in bewegender Weise herausgearbeitet wurden. Ein Höhepunkt war hier das letzte Lied „Ich bin geliebt“, wo die melodischen Formeln von Angel Macias, Clare Tunney, Gerard Farreras und Linsey Coppens mit heftiger Leidenschaft vorgetragen wurden. Hier hatte man wirklich den Eindruck, dass diese Musik von den Künstlern in ganz persönlicher Weise erlebt und empfunden wurde. Rhythmische und harmonische Erfindungen sprudelten auch bei den anderen Liedern „“Intermezzo“, „In der Nacht“, „Es ist verraten“ oder „Botschaft“ ausdrucksvoll hervor. Begeisterter Schlussapplaus, viele „Bravo“-Rufe.
Alexander Walther