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STUTTGART/Staatsoper: TOSCA

Mit musikalischer und szenischer Spannung

21.12.2018 | Oper


Catherine Naglestad. Foto: A.T.Schaefer

Stuttgart: „TOSCA“ 20.12. 2018-  mit musikalischer und szenischer Spannung

Vier Tage nach der „Bohème“-Wiederaufnahme machte GMD Cornelius Meister nun auch die unverwüstliche „Tosca“ in der schlichten klassischen Inszenierung von Willy Decker mit dem vor allem von Lichtstimmungen geprägten Bühnenraum und den historisch passenden Kostümen von Wolfgang Gussmann zur Chefsache und setzte vom schlagartigen Einstieg mit Angelottis Flucht in die Kirche auf exaktest gesetzte rhythmische Akzente und eine feine Stimmungsmalerei wie sie dieser Partitur im besonderen zu eigen ist. Das Staatsorchester Stuttgart griff diese Vorgaben mit klanglicher Verausgabung satt im Ton und doch transparent genug für die vokalen Belange auf, übernahm in flexibler Reaktion die spontanen Bedürfnisse der Sänger und sorgte für die Basis einer aufwühlenden Realisierung. Da stimmte die Chemie zwischen Dirigent und Musikern spürbar. Und weil sich selbiges auch zwischen den Sängern, zumal den drei Protagonisten ereignete, kam es zu einer jener heraus ragenden Vorstellungen, bei denen sich aus gegenseitigem Geben und Nehmen kombiniert mit vokaler Erfüllung und emotionaler Unmittelbarkeit eine knisternde Spannung aufbaute. Das betraf nicht nur die Konfrontation von Tosca und Scarpia, sondern auch die dies Liebespaares, das schon lange nicht mehr so glaubhaft, so aller rein einstudierten Spielanweisung enthoben über die Rampe kam und im 1. Akt sogar Szenenapplaus hervorrief. Dazu trug sicher noch der Bonus, den die nach längerer Pause für zwei Abende zurück gekehrte Catherine Naglestad als langjährige Publikums-Favoritin genießt, bei. Der Radius ihres Soprans zwischen hauchzarten Lyrismen und präzise gesetzten Attacken, zwischen brustigen Tiefen und dynamisch flutenden Höhen ist nach wie vor ihr Markenzeichen, ihre raffinierte Beweglichkeit in bodenlangen Roben und ihr gut kontrolliertes Ausdrucksvermögen zwischen Schmeicheln und passender Hysterie am Ende komplettieren auch hier wieder ihr Gesamtkunstwerk. Das Vissi d’Arte gerät zum einzig(artigen) Ruhepunkt der von Scarpia getriebenen Diva mit einem leuchtend ausklingenden und noch lange im Raum nachklingenden „cosi“. Dafür erhielt sie ebenso spontane Ovationen wie Massimo Giordano nach einem auf andere Art in Aussage und tenoraler Attraktivität überzeugenden „Recondita armonia“. Sein mit besonderer Differenzierungsgabe ausgefülltes und belebtes „E lucevan le stelle“ zog denn offensichtlich so in Bann, dass sich vor Ergriffenheit keine Hand rührte. Der in Erscheinung und stimmlicher Hingabe ideale Cavaradossi bringt Schmelz, gutes Legato, natürliche Phrasierung und ein sicher sitzendes Höhenregister mit, die im Zusammenwirken herausragende Momente ermöglichen. Giordano ist wirklich Künstler, Liebender und Revolutionär zugleich und bricht unter den Gewehrsalven seiner Erschießung  filmreif zusammen.

Dass ein Scarpia nicht unbedingt eine donnernde Röhre haben muss, beweist Roland Wood kraft seiner darstellerischen Aura und Ausdrucksballung zwischen fiesem Genuss und autoritärer Würde und eines Baritons, der von begrenztem Volumen ist, aber über eine durchgehende Spannkraft, vor allem in den körperreichen Höhen, verfügt und so auch keine Schwierigkeiten hat sich im TeDeum gegenüber dem Chor und dem von der Orgel überwölbten Orchester zu behaupten.

Neu ist auch der Mesner in großer Gestalt und bestechend klar artikuliertem Parlando von Matteo Peirone, eine willkommene Abwechslung nach einem langjährig besetzten und jetzt pensionierten Ensemblemitglied. David Steffens gibt dem Angelotti gleichermaßen charakterliches Profil wie bassbaritonale Kraft. Und weil auch Scarpias Untergebene, in erster Linie Heinz Göhrig als schleimiger Spoletta mit unvermindert klangreichem Tenor sowie  Staatsopernchor und Kinderchor (darunter Tabea Klaschka als sauber intonierende Hirtenstimme) in der Kirche für geballtes Leben und vokal gesättigte Frische sorgen, wurde diese 115. Vorstellung seit Juli 1998 zu einer markanten und einprägsamen,  bei der alle Komponenten glücklich zusammen wirkten und für dementsprechende große Stimmung sorgten sowie Jubel auslösten.                                                                 

Udo Klebes

 

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