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STUTTGART/ Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL – und die Hexe reitet auf dem Besen. Premiere

07.02.2022 | Oper international

Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ am 6.2.2022 in der Staatsoper/STUTTGART

Und die Hexe reitet auf dem Besen

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Josefin Feiler (Gretel), Rosie Aldridge (Hexe), Ida Ränzlöv (Hänsel und Statisterie. Foto: Matthias Baus

Axel Ranischs Version von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ lässt die Hexe auf dem Besenstiel unter lautem Hohngelächter tatsächlich durch die Luft reiten (Bühne: Saskia Wunsch; Kostüme: Alfred Mayerhofer). Auch sonst bietet die Inszenierung durchaus ungewöhnliche Perspektiven. Da sieht man zunächst eine blühende Waldlandschaft in den Videoaufnahmen von Philipp Contag-Lada, die durch ein großes Feuer vernichtet wird. Im Hause Besenbinder herrscht ebenfalls trister Alltag zwischen Holz-Utensilien und verkohlten Bäumen. Mehr als trockenes Brot gibt es hier nicht – und als sogar noch der Kochtopf zerbricht, schickt die Mutter die Kinder in den Wald, um Erdbeeren zu pflücken. Der Vater bringt schließlich etwas zum Essen mit, doch er hört mit Schrecken, dass die Kinder bereits auf dem Weg in den Wald sind. Denn dort regiert eine Knusperhexe, die als Charity-Queen bunte Drops verteilt. Doch die Kinder werden schließlich auch noch aufgegessen.

Einen optisch reizvollen Einfall hat der Regisseur Axel Ranisch mit dem Sandmännchen, das in Form eines Vollmonds plötzlich im Wald erscheint und zu den Kindern spricht. Ranisch warnt vor der Klimakrise und betont, dass man in der Welt nicht mehr so weitermachen könne wie bisher. Als sie das Hexenhaus entdecken, steht die Welt buchstäblich auf dem Kopf, die Bühne dreht sich und im Hintergrund zucken Blitze bei einem Gewitter. Gelegentlich wirkt die Bühne aufgrund der vielen Einfälle auch überladen, doch meistens findet Axel Ranisch abwechslungsreiche und bunte Bilder. Rund ums Hexenhaus flackert alles bunt und überaus schillernd, wenn Hänsel und Gretel die bunten Drops vernaschen. Schließlich schwingt sich die Knusperhexe auf den Besen und fliegt mit gellendem Gelächter in die Lüfte. Gleichzeitig sieht man die Kinder an einem großen Kran hängen, der sie in ein Rohr wirft, wo sie als Drops in ein gläsernes Gefäß fallen. Doch letztendlich gelingt es Hänsel und Gretel, die Hexe zu besiegen und in  den Backofen zu stoßen. Nach und nach erscheinen die befreiten und wieder auferstandenen Kinder, um mit Hänsel und Gretel das neue Leben zu feiern.

Beide sind wieder ins Elternhaus zurückgekehrt und es gibt doch noch ein „Happy End“. Unterdessen schmort die Hexe in einem roten Rohr und wird von den Kindern ausgelacht. Manche Sequenzen wirken auch aufgesetzt – etwa dann, wenn Figuren im Astronautenkostüm aus der Erde steigen. Manchmal vermisst man auch den märchenhaften Zauber dieses Meisterwerks. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn vom felsigen Ilsenstein das mehrfache Echo erklingt. Da fehlt hier irgendwie der Naturzauber, alles wirkt gar zu künstlich. Unter der einfühlsamen Leitung von Alevtina Ioffe musiziert das Staatsorchester Stuttgart hier mit untrüglichem melodischen Gespür, wobei die Feingliedrigkeit der Leitmotive nicht zu kurz kommt. Die immer rascher werdenden Rhythmen des Vorspiels werden gut getroffen – und man vernimmt auch die kleine Tonfolge, die später die spitzbübische Aussage der Kinder begleitet. Das weitere Thema in der Trompete sticht ebenfalls leuchtkräftig hervor.

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Ida Ränzlöv (Hänsel) und Catriona Smith (Mutter). Foto: Matthias Baus

Josefin Feiler (Sopran) als Gretel und Ida Ränzlöv (Mezzosopran) als Hänsel treffen stets den richtigen Tonfall – dies gilt auch für die andächtige Weise, mit der das Werk begann. Als Hexe kann die versierte Altistin Rosie Aldridge mit strahlkräftigen  Spitzentönen die Zuhörer für sich einnehmen. Als burschikoses Ehepaar agieren ferner Shigeo Ishino (Bariton) als Vater sowie Catriona Smith (Mezzosopran) als Mutter. Claudio Muschio (Sopran) brilliert als Sandmännchen und Taumännchen. Der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart wird von Bernhard Moncado facettenreich begleitet. Insbesondere am Schluss findet das Staatsorchester Stuttgart unter Alevtina Ioffe nochmals zu einer überwältigenden Steigerung. Nachdem Hänsel in übermütiger Weise die von der Hexe gelernte Entzauberungsformel gesungen hat, quillt das Orchester von Motiven, Themen und Melodien nur so über. Die feinen Stimmen der „Lebkuchenkinder“ steigern sich von sanfter Anmut bis hin zu choralartiger Andacht. Der unendlichen Freude wird hier zuletzt stürmischer Ausdruck verliehen. Und auch den „Knusperwalzer“ kann man deutlich vernehmen, mit dem sich Hänsel und Gretel um den Hals fallen. Der „Hexenritt“ erinnert ganz entfernt an Wagners „Walkürenritt“, wobei das Staatsorchester Stuttgart immer durchsichtig musiziert. Die Choreographie von Janine Grellscheid wirkt in weiten Teilen durchaus stimmig und nicht übertrieben.

Viel Applaus, „Bravo“-Rufe“, aber vereinzelt auch Widerspruch.

Alexander Walther

 

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