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STUTTGART/Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG. Premiere

30.01.2023 | Oper international

Stuttgart:  Götterdämmerung  29.1.2023 –  Premiere

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Hagen (Patrick Zielke) und die Mannen. Foto: Matthias Baus

In Stuttgart schließt sich wieder ein Ring, diesmal mit der Götterdämmerungs-Inszenierung des noch eher unbekannten Marco Storman. Bei SIEGFRIED setzte man zuletzt auf das bewährte Team Jossi Wieler/ Sergio Morabito, während bei der WALKÜRE sogar drei verschiedene Regisseur:innen am Werk waren. Die Stuttgarter Oper möchte ihren alten Ruf als ‚Winter-Bayreuth‘ untermauern, diese Bezeichnung kam zustande, weil Wieland Wagner hier außer Bayreuth viel inszenierte. Nun also der 3.Tag Götterdämmerung in der musikalischen Leitung von GMD Cornelius Meister. Bei den Dirigenten wird wie bisher eine einheitliche Handschrift bevorzugt, obwohl die verschiedenen Kompositionsteile Wagners, die in die Tetralogie eingegangen sind, sicher von verschiedenen Vertretern der Zunft erfolgreich wiedergegeben werden könnten. Aber C. Meister zeigte, wie schon im von mir erlebten RHEINGOLD, welche Farbigkeit er aus der Partitur heraussprühen lassen kann. Besonders in den Szene auf dem Brünnhildefelsen mit Waltraute, später bei der Bezwingung Brünnhildes durch Siegfried in Gunthers Gestalt, konnte Meister das Staatsorchester in ganz große Fahrt bringen. Mit den vielen gegeneinander geführten Motiven kamen äußerst angstvoll beklemmende satte Klangballungen zustande, die die plötzliche Umkehrung aller bisher bestehenden Werte auf die kaum noch zu ertragende Spitze treiben. Natürlich kommt die besonders reiche Instrumentierung  aus dem offenen Graben viel besser zur Geltung, und das Orchester legt sich wie ein Gesamtkörper mächtig ins Zeug. Auch in der Todverkündigung der Rheintöchterszene, wird die Variatonskunst zum ‚Rheingold‘ auf die  Spitze getrieben, und natürlich bei der End-Kulmination, wenn nochmal alle zerborstenen Klangkaskaden von C. Meister in eine versöhnende Schlussapotheose geführt werden, die Hoffnung auf ein besseres Weiterleben der Menschen nährt.

Natürlich war auch, was die Regie angeht, die Spannung groß. Bei zuletzt vielen Inszenierungen wurde auf große moderne Lofts gesetzt,  in denen die Götterfamilie und die Zwergalben als moderne  Menschen ihre Geschäfte untereinander bewerkstelligen. Ganz anders jetzt aber hier. Schon in dem Nornen-Vorspiel zeigte sich, daß an die mythische sagenhafte  Tradition angeknüpft werden soll. Die Nornen in grauweißen Arbeitsanzügen (Kostüme: Sara Schwartz) spannen zwar keine Seile, aber holen aus einem großen Kasten verschiedene klassizistische Ölbilder hervor, die sie auf der Bühne positionieren. Besonders stechen dabei ein junger fast nackter Siegfried mit der Feuersbrunst im Hintergrund, und eines mit Brünnhilde mit langen schwarzen Haaren hervor, die auch im Verlauf auf der Bühne verbleiben. Darüber schwebte ein Teil der abgeholzten Weltesche, mit zwei Strünken übereinander, vielen verdorrten Zweigen und herabhängenden gerissenen Seilen und Schnüren. Dies Teil schwebte auch zur Rheingold-

Reprise hernieder und kam noch mal am Schluß zum Einsatz, senkt sich ganz auf den Rhein, wo die Mädchen die Ringe gesucht und gefunden haben. Das Felsgemach (Bb.: Demian Wohler) ist hier tatsächlich eines. Hier auch schon einige Rund- und Spitzbögen, die dann vollend zur Rheinhalle der Gibichungen mutieren. Allerdings ist die eher ein Kirchenraum mit Orgelpfeifen in der Höhe, buntem Fenster und verschiedenartigen Kanzeln, vorne ein halbovaler Tisch mit Mikrofonplätzen. In diesem Ambiente die äußerst lebhafte Personenregie Marco Stormans. Zu dem symbolartigen Baumgeflecht geht in der Betrugszene noch ein orangener Reif am Bühnenhimmel auf. Waltraute erscheint, wie Brünnhild als griechische Göttin mit weiß wallendem Umhang  und Lorbeerkranz. Danach die Blutsbrüder beide im Gunther-Look mit in die Stirn gekämmten Haaren und auch ganz paarweise agierend. Hagen ist dagegen eher heutig dunkel gezeigt, könnte aber auch als Mönch durchgehen, kurzhaarig gescheitelt und mit Brille. Er übernimmt auch den Part seines Vaters Alberich als sein Alter ego. Die Mannen könnten alle auch griechische Götter sein und verlieren sich gut in dem reichhaltigen Ambiente. Sie singen deftig und klangstark (E.: Manuel Pujol). Nur Brünnhilde muss ihren Speereid von der obersten Kanzel herab singen und kommt damit nicht  so gut zur Geltung. Später ermordet Hagen Siegfried mit einem wirklichen Speer, aber der Lustige lebt danach weiter und taucht später mit seinem Pferd Grane auf, und auch Brünnhilde schwingt sich nach der Absolvierung ihres Schlußgesangs auf ihr altes Streitroß. So steckt in der Tragik auch immer eine lustig-komische Note bei dieser Inszenierung.

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Christiane Libor (Brünnhilde), Daniel Kirch (Siegfried). Foto: Matthias Baus

Brünnhilde ist Christiane Libor, und steigert sich von Akt zu Akt. Mit angenehmem Timbre kann sie die große Furcht bei Siegfrieds Betrug adäquat ausdrücken, ist aber. auch wie zB. Anja Kampe keine heroisch-dramatische Sängerin. Da ist Daniel Kirch als Siegfried schon fast ein anderes Kaliber, indem er manchmal fast stentormäßig seine Phrasen gestaltet. Mit guter und fast noch stärkerer Stimmpower agiert Shigeo Ishino als Gunther. Ein toller Hagen ist Patrick Zielke. Er ist zwar kein Schwarzbaß, kommt aber voluminös und kraftvoll herüber.  Seine Stiefschwester Gutrune kann Esther Dierkes sehr präsent gestalten, singt dabei fesselnd ihren eher schmalen Part und trägt einen an Hasenohren gemahnenden Kopfschmuck. Waltraute ist Stine Marie Fischer mit dunkel quellendem Mezzo. Die Nornen ergeben mit Nicole Piccolomini, Ida Ranzlöv und Betsy Horne ein voluminös klangstarkes Trio. Eliza Boom (Woglinde), Linsey Coppens (Wellgunde) und Martina Mikelic (Floßhilde) agieren gewievt in denselben Arbeitsanzügen und mit großen Spiegeln Siegfried gegenüber.                          

Friedeon Rosén

 

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