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STUTTGART/ Staatsoper: GÖTTERDÄMMERUNG. Positives überwiegt

31.05.2024 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „GÖTTERDÄMMERUNG“ 30.5.2024 – Positives überwiegt

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Christiane Libor. Foto: Matthias Baus

Vor dem Hintergrund der kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung von GMD Cornelius Meister seinen Vertrag über die Spielzeit 2025/26 hinaus nicht zu verlängern, weil er für das Staatsorchester Stuttgart vergeblich um einen besseren Tarifvertrag gekämpft hatte, ist dieser Schritt angesichts dessen Leistung bei dieser zweiten Serie des Abschlusses des neuen Ring-Zyklus, so traurig es stimmt, absolut nachvollziehbar und zeugt von einer noblen Haltung, die das Können untergebener Musiker hervor hebt und dadurch als Bedingung für seine sehr hohen Ansprüche als Dirigent erkennt. In Oper und Konzert hat das A-Ensemble unter seiner Leitung herausragende künstlerische Ergebnisse erzielt, wozu als ideales Beispiel auch diese Vorstellung zählt.

Nicht alles war bei Meister von Anfang an in Butter, speziell auch beim „Ring“, der bei aller erfreulichen Gesamtschau doch einige Mankos hatte, die nun im Zuge gewachsener Vertrautheit und Praxis behoben werden konnten. Das betrifft vor allem die Dynamik für die vokalen Einsätze, die Austarierung in den Bläserstimmen und den durchgehenden Spannungsaufbau. Wie ein unversiegbarer Klangrausch, in dem die wenigen ruhigeren und im Tempo gemächlicheren Momente ein richtiges Atemholen bedeuteten, erstand Wagners Partitur in all ihrer immer wieder überwältigenden Erhabenheit, aber auch Sinnlichkeit und Stimmungsdichte, von Akt zu Akt noch gesteigert. Die immens geforderten Blechbläser seien stellvertretend für das ganze Orchester ob ihrer weitgehend makellosen Intonation hervorgehoben. Ein mit Trampeln durchsetzter Jubelorkan war der konsequente Dank für das zuletzt komplett auf die Bühne geholte Orchester und seinen Chef.

Mit dieser vitalen instrumentalen Palette kann die Inszenierung von Marco Storman immerhin in einigen wesentlichen Punkten mithalten, die für heutige Regie-/Ausstattungsverhältnisse nicht mehr selbstverständlich sind. So gibt es einen veritablen Walkürenfelsen mit einer Höhle, eine Gibichungenhalle, die in ihrer Mixtur verschiedener Epochen zwischen Sakralbau und Parlamentsaal durchaus Eindruck macht, den verdorrten Stamm der Weltesche, der mehrfach als Mahnmal von oben herabschwebt und zuletzt Hagen einklemmt, wenn dieser versucht den Ring aus einem Wassergraben zu fischen. Nebel wallt dazwischen über die Bühne, am Ende wird Brünnhildes Wunsch Wirklichkeit, wenn sie auf einer Pferdeattrappe mit dem toten Siegfried im Sattel davonfährt. (Bühne: Demian Wohler)

Die stilistische Bandbreite von der Antike nachempfundenen Gewändern, klassizistischen Erscheinungen bis hin zu Overalls der Gegenwart stört nicht weiter, ist letztlich auch ein Verweis auf die Zeitlosigkeit der sich immer wiederholenden Geschichte um den Kampf der Macht. (Kostüme: Sara Schwartz). Nur der saloppe Anzug Siegfrieds in Schweinchen-Rosa mutet seltsam an, charakterisiert ihn hier passend zu seinem infantilen Spiel als etwas naiven Dummkopf, der er aber trotz seines freien Naturwesens nicht ist.

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Daniel Kirch, Patrick Zielke. Foto: Matthias Baus

Daniel Kirch gelingt es ihm noch ein paar humorvolle Züge zu geben, richtet den Einsatz seines geradlinigen, wenig Schmelz aufweisenden und etwas starren Tenors aber auf diese Sichtweise aus, indem er mit seinem Roh-Material munter drauflos singt, meist in Stentor-Manier ohne Nuancierungen. Das ermüdet auf Dauer mangels eines attraktiven Timbres zusätzlich. Umso mehr fällt dies neben einem so flexibel mit der Stimme spielenden Sänger wie Patrick Zielke auf, der hier mit der besonderen Herausforderung konfrontiert ist, gleichzeitig bzw. wechselnd Hagen und seinem Vater Alberich wie als inneres Organ aus dem Jenseits Ausdruck zu geben. Mit nicht sonderlich üppigem, aber tragfähig starkem Bass gibt er beiden Rollen farblich getrenntes Profil, mal weich strömend, mal fahl dunkel.

Christiane Libor hat sich die Brünnhilde seit dem noch etwas unausgegorenen und aufs Durchkommen konzentrierten Debut zu eigen gemacht. Wie viele heutige Rollenvertreterinnen keine Hochdramatische, hat sie dennoch alles dafür zur Verfügung, den Biss für die Spitzenausbrüche, die nicht gedrückte Tiefe und eine Mittellage, die sie äußerst differenziert einsetzt und sich so die Partie ideal einteilt, um für den fordernden Schlussmonolog noch genügend Reserven zu haben.

Einen intensiven Auftritt hatte wieder Stine Marie Fischer als Waltraute mit ihrem beweglichen, in allen Lagen im Lot bleibenden Mezzosopran. Trotz ihres klar leuchtenden Soprans konnte sich Mandy Fredrich als Gutrune mangels Volumens nicht immer ganz durchsetzen. Für Shigeo Ishino ist solches kein Problem. Sein wie immer etwas strenger, aber kerniger Bariton gibt Gunther ein starkes Profil, auch wenn er hier etwas seltsam undurchsichtig gezeichnet ist.

Von den drei Nornen hebt sich Nicole Piccolominis dunkel satter Mezzosopran mit Anzeichen von erhöhtem Vibrato deutlich von Christiane Kohls fast mädchenhaftem Sopran und Linsey Coppens hellem Mezzosopran ab. Letztere vereinte sich später mit Eliza Booms leichtem Sopran und Martina Mikelic farbenreichem Mezzosopran zu einem im Tutti harmonisch gleichmäßigen Rheintöchter-Terzett.

Der Staatsopernchor Stuttgart, zumal die Herren ergänzt um einige Mitglieder des Extrachores setzten als Hagens Mannen wieder Glanzlichter raumgreifender, perfekt gemischter Vokalität (Einstudierung: Manuel Pujol).

  Udo Klebes

 

 

 

 

 

 

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