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STUTTGART/ Staatsoper: Gastspiel Israel Galvan Company MELLIZO DOBLE

01.11.2020 | Ballett/Performance


Copyright:  Kana Kondo und Jean Louis Duzert.

Gastspiel Duo „Mellizo Doble“ am 31.10.2020 in der Staatsoper/STUTTGART

Ein elektrisierender Dialog

 Die Zuschauer werden zum Teil dieses besonderen Konzerts von Nino de Elche (Gesang) und Israel Galvan (Tanz), wobei der Flamenco im Mittelpunkt steht (Sound: Pedro Leon und Manu Prieto). Auch Elemente der Popmusik lassen sich nicht verbergen. Zwei der wichtigsten Künstler Spaniens treffen sich hier zum Tanz. Ein starkes rhythmisches Geschehen führt dabei zu einem gewaltigen Zusammentreffen von Gegensätzen. Die beiden Künstler geraten hier bald an ihre Grenzen, die sie aber immer wieder aufbrechen. Es ist auch eine Art Metamorphose, die in diesem Zusammenhang stattfindet. Denn die Bewegungsflächen der beiden Spanier gehen in geheimnisvoller Weise ineinander über. Beim Flamenco erwachen dann Melancholie und Utopie gleichermaßen.


Copyright:  Kana Kondo / Jean Louis Duzert.

Da ist vor allem Israel Galvan ganz in seinem Element, dem es gelingt, die Bühne mit seinen tänzerischen Fähigkeiten voll auszufüllen. Insbesondere die Konstellationen ändern sich immer wieder blitzartig, Beziehungen und Relationen verwandeln sich in vielen Nuancen. Die Bewegungen der beiden gehen facettenreich ineinander über, gewinnen Präsenz. Auf engstem Raum kommt es so zu emotionalen Explosionen, die Nino de Elche mit seiner Gitarre und seinem melismatischen Gesang in kunstreicher Weise beschwört. Gleichzeitig agieren die beiden wie zwei Freunde, die sich Anekdoten erzählen. Vergangenheit und Zukunft liegen bei dieser Aufführung eng beieinander, nehmen das Publikum gleichermaßen gefangen. Bei der Fiesta erfolgt dann die große Verwandlung und Veränderung. Tote scheinen bei dieser Flamenco-Aufführung gleichzeitig wieder aufzustehen. Fragen werden gestellt, die sich nicht so ohne weiteres beantworten lassen. Es herrscht eine strikt geregelte künstlerische Sprache. Affekte sind keine Nebensächlichkeiten mehr, körperliche Disziplin geht nahtlos in einen atemlosen Dialog über, der sich auf der großen Bühne der Staatsoper vervielfacht. Diese immense dynamische Steigerung lebt vor allem in den differenzierten tänzerischen Bewegungen von Israel Galvan, der auch in der Dunkelheit zwischen Nebel und Lichtfetzen alle Aufmerksamkeit der Zuschauer an sich zieht.

Es sind magische Vorgänge, die sich wie von selbst ergeben, nichts wirkt aufgesetzt, alles ist genau durchdacht. Er will auch die Zuschauer tanzen lassen, sie in diesen suggestiven Kreis einbeziehen. Welten werden dabei geschaffen und in vielen Bildern facettenreich projiziert. Israel Galvan parodiert in seinen Bewegungen gleichsam das Phänomen der Maschine, das den Menschen immer wieder fasziniert und gleichzeitig auch abstößt. Und der geheimnisvolle andalusische Zauber stellt sich bei dieser Darbietung sofort ein. Neben den maurischen Einflüssen spürt man bei Israel Galvans tänzerischer Darbietung vor allem die jüdischen, afrikanischen, hispanoamerikanischen sowe mozarabischen Assoziationen. Metrische Grundmuster (Compas) sowie die Verwendung modaler Strukturen in Melodik und Harmonik verwandeln diese Präsentation in einen subtilen visuellen Kosmos. Neben dem einleitenden Gesang (Salida), Strophe (Copla), Abgesang (Macho) fesseln hier vor allem auch die kunstvollen solistischen Passagen der Flamencogitarre (Falseta), deren Klänge Nino de Elche zwischen Dur und Moll geradezu beschwört. Bei dieser Tanzdarbietung werden vor allem ganz bewusst eckige und zackige Formen eingebaut – ganz im Gegensatz zu den runderen und weicheren Bewegungen der Tänzerinnen. Bei der hochmütigen Bewegung und Geste (Desplante) wird sogar die elektrisierende Situation des Stierkampfs versteckt angedeutet. Zurückhaltendere Bewegungen Israel Galvans unterstützen zuweilen ausdrucksvoll den seltsamen Rhythmus des Gesangs. Galvan lässt außerdem deutlich werden, dass beim Flamenco jeder Teil des Körpers beteiligt ist: Oberkörper, Arme, Hände, Finger. Auch der bodenverhaftete Tanz hinterlässt mit lebhaften Fußtechniken dabei starke Eindrücke. Hiervon gehen nämlich viele Bewegungsimpulse aus.

Diese Premiere der Israel Galvan Company in Kooperation mit dem Teatro Conde Duque Madrid wird in Zusammenarbeit mit dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart präsentiert. Es gab begeisterten Schlussapplaus.           

Alexander Walther

 

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