Ana Durlovski. Copyright: Martin Sigmund
Fünftes Liedkonzert „Petersburger Liederbuch“ mit Ana Durlovski in der Staatsoper/STUTTGART (3.5.2018)
EINFÜHLSAME KANTILENEN
Eine reizvolle Auswahl klassischer russischer Romanzen wurden beim 5. Liedkonzert „Petersburger Liederbuch“ im Foyer präsentiert. Die mazedonische Sängerin Ana Durlovski (Sopran) interpretierte zunächst „Die Nachtigall“ von Alexander Aljabjev mit weichem Timbre und einfühlsamer Diktion, wobei sie von Stefan Schreiber mit großen Einfühlungsvermögen am Klavier begleitet wurde. Robuster und harmonisch reicher kamen dann die Lieder „O du mein Feld“ sowie „Lang ist es her, meine Freundin“ von Sergej Rachmaninov daher, wo die harmonischen und kontrapunktischen Spitzfindigkeiten nicht nur in der Singstimme feurig hervorblitzten. Stefan Schreiber erwies sich immer wieder als kongenialer pianistischer Begleiter, dessen innere Spannkraft mit elektrisierenden Intervallspannungen nicht nachließ. Bei der berühmten „Vocalise“ op. 34 Nr. 14 von Rachmaninov besaß Ana Durlovski den notwendigen Atem für die weitgespannten melodischen Bögen, deren Ausdrucksradius sich mächtig vergrößerte. „Hier ist es schön“ und „Diese wunderschönen Sommernächte“ von Rachmaninov faszinierten in der konzentrierten Wiedergabe von Ana Durlovski und Stefan Schreiber aufgrund der leidenschaftlichen Wirkungskraft des Vortrags. Die Legato-Bögen und arabeskenhaften Kantilenen sprudelten dabei nur so hervor. Von dem mazedonischen Komponisten Tomislav Zografski erklang dann das Lied „Marika, wunderschönes Mädchen“ op. 126, wo es um eine unglückliche Liebe geht, während der das junge Mädchen schließlich stirbt. Zografski zitiert hier auch eindringlich ein Motiv aus Peter Tschaikowskys sechster Sinfonie in h-Moll „Pathetique“. Beim „Wiegenlied“ op. 16 Nr. 1 von Peter Tschaikowsky ging Ana Durlovski ganz aus sich heraus, traf auch den melancholischen Ton der Komposition ganz ausgezeichnet. Nichts ist an dieser Komposition vordergründig und klischeehaft, wie man es Tschaikowsky oft vorgeworfen hat.
Ana Durlovski unterstrich auch bei den drei nächsten Tschaikowsky-Liedern „War ich denn kein Grashalm…“, „Warum?“ und „Nur wer die Sehnsucht kennt“ die tiefgehenden Emotionen der Kompositionsweise dieses oft verkannten Komponisten. Die rhythmisch markante Thematik war immer wieder zu erkennen. Mit großer Klangfülle bestachen die voluminösen Intervallspannungen, die Girlanden und Kaskaden des Gesangsstils arbeitete Ana Durlovski mit dem Pianisten Stefan Schreiber ausdrucksstark heraus. So konnte sich die strömende liedartige Melodie wiederholt mit geballer Dichte behaupten.
Ein Schmuckstück klanglicher Balance und Inspiriationskraft ist das Konzert für Koloratursopran und Orchester op. 82 aus dem Jahre 1943 von Reinhold Gliere, wo Ana Durlovski den Andante-Satz mit geradezu sphärenhaft-bewegten Aufschwüngen interpretierte. Die klassisch-romantische Tradition stach dabei deutlich hervor, was auch Stefan Schreiber am Klavier unterstrich. Schließlich interpretierten noch Evgeny Popov (Violine), Bertram Jung (Viola), Michael Groß (Violoncello) und Joachim Hess (Violoncello) das Quartett in a-Moll für Violine, Viola und zwei Violoncelli op. 35 aus dem Jahre 1894 von Anton Arensky, wo Gesänge aus der russisch-orthodoxen Liturgie sowie Melodien russischer Volkslieder und ein Kinderlied Tschaikowskys verarbeitet werden, dessen Andenken das Werk gewidmet ist. Mit feinen Pizzicati-Effekten warteten die Musiker des Staatsorchesters Stuttgart hier auf. Arensky war Professor am Moskauer Konservatorium. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählten unter anderem Sergej Rachmaninov und Alexander Skrjabin.
Dieses Konzert fand in Zusammenarbeit mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart statt.
Alexander Walther