Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/ Staatsoper: DON PASQUALE – erste Reprise nach der Premiere

29.03.2018 | Oper


Enzo Capuano (Don Pasquale) und Ana Durlovski als noch schüchterne, maskierte Sofronia. Copyright: Martin Sigmund

Stuttgart

„DON PASQUALE“ 28.3. 2018 (Premiere 25.3.2018) – Bedeutungsschwanger statt komödiantisch leicht

Wie gut, dass sich Noch-Hausherr Jossi Wieler in seiner letzten Saison nach der Bellini-Trias auf den am Haus sträflich vernachlässigten Gaetano Donizetti besonnen hat. Dessen meisterhaftes Spätwerk von 1843 war hier zuletzt in der Umbauspielzeit 1983/84 im Schauspielhaus zu sehen, damals noch in deutscher Sprache, allerdings auch im vom Komponisten bestimmten großbürgerlichen Ambiente seiner Zeit.

Das Stück bietet die vielfach auf die Bühne gebrachte, im Prinzip einfache Thematik des alternden Mannes, der das nachholen möchte, was ihm der Vater einst verwehrt hatte: die Liebe zu einer Frau und den damit verbundenen Nachwuchs, um seinen Reichtum in der Familie gesichert zu wissen. Dumm nur, dass er sich sie nicht selbst aussucht, sondern seinen Arzt Dr. Malatesta beauftragt, das ideale Objekt für ihn zu finden, und dabei in die Falle des Intriganten tappt, der ihm seine Schwester Sofronia als sanftes Weibchen anpreist, nicht ahnend, dass es in Wirklichkeit jene Norina ist, die sein Neffe Ernesto anstatt der vom Onkel auserwählten Braut heiraten möchte und deshalb enterbt wird. Im Ganzen eine Komödienhandlung mit dankbaren Partien und einer Musik, die schmachtende Lyrik und viel Parlando zu einer leichtfüßigen Kost aus schmeichelnder Kantilene und feinem Humor kombiniert.

Trotz einiger Textstellen, die auf eine frühere Epoche hinweisen, ist das Geschehen zeitlos und lässt sich durchaus näher an unsere Zeit heranholen. Ob es jedoch die Gegenwart sein muss, um nur ja alle neuzeitlichen Moden und Requisiten auf die Bühne zu bringen, bleibe dahin gestellt – solange der aus Musik und Libretto sprühende Witz in der szenischen Darstellung erhalten bleibt! Doch genau der ist Wieler und seinem Dauer-Partner Sergio Morabito, der als Dramaturg zum Team des künftigen Wiener Staatsoperndirektors Bogdan Roscic gehören wird, bei ihrem allzu eifrigen Bemühen, die Wirkung des Sujets nur ja nicht zu seicht an der Oberfläche eines Lustspiels ausleben zu lassen, auf der Strecke geblieben. Das Schicksal Pasquales wird zum Drama, in dem kaum ein Lachen, nicht einmal ein Lächeln Platz hat. Das Bühnenbild ( Jens Kilian ) unterstützt diese Linie durch ein kaltes Büro, das von einer Gitter-Rundwand umgeben ist, die sich immer mal wieder mit anderen Wänden gegeneinander verschiebt. Eine Metapher für Pasquales konfusen und erregten Geisteszustand? Teresa Vergho hat den Geschäftsmann in schwarze Business-Kleidung gesteckt, Norina erscheint als Vertreterin einer sozialen Unterschicht, die dann als angetraute Frau in neureicher Angabe Pasquales Vermögen auf den Putz haut, Malatesta ist ein Luftikus in legerem Blau, Ernesto bedient alle Klischees eines jungen Mannes mit Kapuzenpulli und Kopfhörern, ehe er sein Bekenntnis, aufgrund der Enterbung und Entsagung Norinas in ein fremdes Land zu gehen, durch die Verwandlung auf offener Bühne in einen Indianer umsetzt. Solcher Übertreibungen bräuchte es auch deshalb nicht, weil die Arbeit des Regie-Duos mit den Sängern wieder so subtil erarbeitet ist, dass solche Fantasie-Ausritte völlig überflüssig sind. Vor allem der Wandel Pasquales vom entschlossenen Liebesgierigen zum nach der Heirat erniedrigten Anhängsel kommt berührend zum Tragen. Enzo Capuano verkörpert nicht nur diese Facette in seiner immanent den Typus eines italienischen Signore treffenden Erscheinung mit der Qualität eines Schauspielers und führt seinen angenehm runden, warmen und durchweg intakten Bass durch alle vokalen Fährnisse vom leisen Deklamieren bis zum rasanten Plappern, wobei sich sein begrenztes Volumen dort bemerkbar macht, wo er phasenweise ungünstig positioniert ist.

Gespannt war die Erwartung auf Ana Durlovskis Norina, die dem so melancholisch timbrierten Sopran der Mazedonierin eher entgegensteht, doch überraschte die spielerisch wandlungsfähige Künstlerin mit einer unkonventionellen vokalen Studie, in der sich Töne der Verführung und der bitteren Süße raffiniert mischen. Mit ihrer stupenden Technik mühelos in die Gesangslinie einfließender stratosphärischer Spitzentöne garantiert sie auch hier für ein überaus individuell angelegtes Hörerlebnis. Dieses wird bei Ioan Hoteas Ernesto nur durch einen manchmal etwas grell und weinerlich anmutenden Ton getrübt, der sich in seinen überaus farbreichen, klar und bis in die Höhen unangestrengt geführten Tenor mischt. Als unangepasster Jugendlicher macht der Rumäne überaus gute Figur. Das tut auch André Morsch als Malatesta mit lockerem Auftreten und bei leicht sprödem Timbre in den Phrasierungen geschmeidigem und süffig fülligem Bariton. Wenn sie alle doch nur den der Musik innewohnenden Charme mehr ausspielen dürften!

Marko Spehar ergänzt als szenisch aufgewerteter Notar (Malatestas Cousin Carlotto) mit deutlich wiederholt Baß-Kommentaren, der Staatsopernchor Stuttgart (Einstudierung: Christoph Heil ) ist als das Haus in Besitz nehmende Sippschaft der Intriganten inklusive von Kindern ausgerechnet beim vergnüglich konzipierten Dienerchor nicht optimal platziert, aber als vokal-darstellerische Einheit selbst in diesem begrenzten Part ein garantierter Aufführungs-Gewinn.  

Bleibt noch Giuliano Carella, der das Staatsorchester Stuttgart nach anfänglichen Unschärfen gefühlvoll und beherzt durch die Partitur führt und bei aller Süffigkeit in den vielfach kommentierenden oder nachzeichnenden Holzbläsern den Humor-Verlust der Szene bis zum Schluss nicht ganz auffangen kann. Während der Ouvertüre wird die Aufmerksamkeit leider durch einen auf das geschlossene Gehäuse des Bühnenbilds gebeamten Animationsfilm über Pasquales Jugendliebe abgelenkt  – ist dieses Paradebeispiel eines Komödien-Vorspiels so langweilig, dass von ihm visuell abgelenkt werden muss?

Das Publikumsecho nach dieser ersten Reprise fiel mit gerade mal zwei Durchgängen jedenfalls eher schaumgebremst als animiert aus.

   Udo Klebes 

 

 

Diese Seite drucken