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STUTTGART/ Staatsoper: DON GIOVANNI – das Dramma giocoso eingelöst

19.05.2023 | Oper international

Staatsoper Stuttgart

„DON GIOVANNI“ 18.5. 2023– das Dramma giocoso eingelöst

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Adam Palka (Komtur), Sarah Jane Brandon (Donna Anna) und Kai Kluge (Don Ottavio). Foto: Martin Sigmund

Bereits der Einstiegs-Tuttiakkord in die Ouvertüre signalisierte klar, dass sich hier höllische Abgründe auftun. So markant und in aller Breite ausformuliert ist dies nach neueren Mozart-Lesarten nicht mehr so oft zu hören. Auch im weiteren Verlauf setzte die erstmals am Haus engagierte Yi-Chen Lin energische Akzente in der Ausgestaltung der dramatisch unterfütterten Phasen, brachte aber mit einer angemessen leichten und lockeren Führung der heiter komödiantischen wie auch sanfteren Elemente beides in eine gute Balance, wie sie der Bezeichnung des Werkes vollauf gerecht wird. Das Staatsorchester Stuttgart folgte dieser insgesamt spannenden musikalischen Regie mit überwiegender Präzision und Einfühlsamkeit gegenüber dem Bühnenpersonal.

In Andrea Moses nun 10 Jahre alter, wie gewohnt handwerklich gekonnter, von einem Ideen-Überreichtum geprägter und mit einigen heute meist üblichen Fragwürdigkeiten und unnötigen Gags versehener Inszenierung im drehbaren Bühnenraum eines zweistöckigen heutigen Motels (Bühne + Kostüme: Christian Wiehle) mit diversen Zimmereinsichten sind die Solisten spielerisch sehr gefordert, finden aber ausgleichend auch zu einigen den Situationen entsprechenden Ruhepunkten.

Auch wenn hier Mozart gerecht ein stimmig zusammen wirkendes Ensemble am Werk ist, so gab es doch einzeln herausragende Leistungen zu vermerken. Dazu gehört wieder einmal Diana Haller, deren vokal-technischer wie auch darstellerischer Einsatz als Donna Elvira als Gesamtpaket schlicht und einfach elektrisiert und die leicht in übertriebene Eifersuchts- und Klagelaut-Ausbrüche kippende Rolle auch musikalisch betrachtet als brillante Gratwanderung zwischen hellem Mezzosopran und dunklem Sopran erlebbar macht.

Ihr gegenüber haben es die beiden anderen Frauen des Stückes schwer, auch wenn deren Partien kaum weniger dankbar seitens ihrer Stellungen sind. Sarah Jane Brandon ist eine etwas larmoyante Donna Anna, deren weißer, in den Höhen strahlender Sopran auch in der maximal fordernden Aufforderung zur Rache mit schlankem Stimmansatz an keine Grenzen gelangt und nur in den etwas verwaschen geratenen Koloraturen am Ende der zweiten Arie etwas von ihrem sonstigen Niveau abfällt.

Shannon Keagans Zerlina ist ein schon recht selbstbewusstes Mädchen im leichten Punkt-Stil, kein Landei. Obwohl als Mezzosopran geführt, trägt die schon recht geschliffene Stimme der Amerikanerin aus dem Opernstudio klare Züge eines Soprans.

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Verführer und Verführte: Eleomar Cuello (Don Giovanni) und Diana Haller (Donna Elvira). Foto: Martin Sigmund

Eleomar Cuello aus Kuba verkörpert den Titelhelden, der im Laufe der Inszenierungsgeschichte von weltmännischem Adel zum aufschneiderischen Macho-Dandy mutiert ist, im Großen und Ganzen überzeugend, mit großer schlanker Erscheinung und ordentlichem, wenn auch nicht überragendem Charisma. Sein Bariton entbehrt eines markanten Timbres, wird aber inklusive einer explosiven vollen Höhe den dynamischen Anforderungen zwischen einem schmelzvollen Ständchen, einer nicht ganz optimal zündenden Champagner-Arie und einer expressiv aufgebauten letzten Szene mit dem Komtur weitaus gerecht.

Michael Nagls Leporello gewinnt in der Mischung aus Respekt und der Lockerheit eines Spaßmachers ein rundes Profil. Sein Bassbariton scheint sich inzwischen mehr Richtung zweiterer Stimmgattung zu entwickeln; immer mehr Kontur bekommende Höhenentfaltungen steht eine weniger ausgeprägte Tiefe gegenüber. Die Stimme seines Fachkollegen Andrew Bogard litt an diesem Abend an einer etwas matten und flachen Tongebung, ließ sich aber als überaus spielfreudiger Masetto nicht unterkriegen.

Kai Kluge stand zwar in der Publikumsgunst weit oben, doch für den erfahrenen Operngeher war nicht zu überhören, dass sein schmelzreicher, in allen Lagen präsenter Tenor bei aller Bemühung um eine differenzierte Modulation über die Rolle des Don Ottavio hinaus gewachsen ist und sich so die damit verbundene edle Mozart-Kultur trotz einwandfreier Technik nicht entfalten konnte. Dieser üppige vokale Einsatz stand so auch im Kontrast zu dem verklemmten Charakter von Donna Annas Geliebtem.

Die Stuttgarter Oper kann sich für jede Vorstellung glücklich schätzen, in der Adam Palka auf der Bühne steht: sein Komtur ist im Verein von seiner immer noch prachtvoller umrissenen Bass-Potenz und maximaler Wort-Ton-Ausformulierung die Krönung dieser Aufführung. Eine wahre Instanz aus dem Jenseits, auch wenn Donna Annas Vater hier äußerst lebendig zur Rache schreitet.

Der Staatsopernchor in kleiner Formation (Einstudierung: Bernhard Moncado) mischte bei Hochzeit, Party und Verfolgung Don Giovannis situationsgerecht und als vokale Vereinigung geschlossen mit.

Am Ende erfreulich abgestufte Würdigung einer kurzweiligen Aufführung.

 Udo Klebes

 

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