Staatsoper Stuttgart: „DIE WINTERREISE“ mit Michael Nagl + Vlad Iftinca 18.12. 2025- die Reise einer Stimme

Michael Nagl. Foto: Matthias Baus
Der Bass-Bariton Michael Nagl, der aus dem Stuttgarter Opernstudio hervor gegangen, seit der Spielzeit 2018/19 Mitglied im Ensemble ist und im September als Papageno sein Debut an der Staatsoper seiner Heimatstadt Wien gefeiert hat, beschreibt in einem Gespräch mit Dr. Cornelia Weidner, der Vorsitzenden der kooperierenden Stuttgarter Hugo Wolf-Gesellschaft, dass er sich mit Franz Schuberts berühmtem Liederzyklus mit Texten von Wilhelm Müller auch vokal auf eine Reise begibt. Denn dieses elementare und auch an diesem im glanzvollen großen Foyer der Staatsoper ausverkaufte Werk werde ihn sicher weiter durch seine Karriere begleiten und seine Stimme und seine Interpretation jedes Mal eine Entwicklung durchmachen.
Rein auf die klangliche Ausprägung bezogen, hat sich der Künstler schon in seinen ersten Bühnenjahren vom Bass zum Bass-Bariton gewandelt, wobei eine gewisse selbstverständliche Tiefe geblieben, der Resonanzraum nach oben aber erweitert wurde. Damit kann er die verschiedenen Stationen des einer verlorenen Liebe nachsinnenden Wanderers verstärkt ausloten und ihnen einen größeren dynamischen Radius an Gehalt und Intensität geben. So werden die gut 70 Minuten zur kurzweiligen Abwechslung zwischen Trübsinn, Trauer und Hoffnung mitschwingen lassendem Aufbegehren – auch weil Nagl sich nichts an verausgabender Detailarbeit schenkt, ihnen oft mit unmittelbar aus der Basis des Klavierparts hervor gehender Stimmungsmalerei begegnet. Die Dichte an Nuancen reicht z.B. von fast zärtlich sanfter Tongebung wie „Auf dem Flusse“, aufgehellter Emphase in „Die Post“, trüb wehmütiger Schattierung in „Der Lindenbaum bis zu zorniger Entladung wie in „Die Wetterfahne“ und „Der stürmische Morgen“. Da mischt sich in die Klarheit seines Vortrags eine Rauheit und Strenge, die mit zur Dringlichkeit seiner Interpretation beiträgt. Bestens unterstützt wird er in der Bedienung der vokalen Klaviatur von Vlad Iftinca am Flügel. Der Solo-Korrepetitor und Dirigent bildet sowohl genau auslotend wie konzentriert begleitend die Basis für eine geschlossene Hörerfahrung dieser reichhaltigen symbolischen Winterreise. Michael Nagl bewahrt durchweg die Kontrolle über emotionale Fülle und schaltet ohne Brüche direkt oder anschwellend vom Piano ins Forte, aus der Tiefe in eine kernig ausgebildete Höhe.
Nicht zuletzt wurde durch die oft pausenlose Verbindung einiger Lieder eine unaufhaltsame Spannung und erzählerische Intensität erzielt. Das Publikumsecho fiel verdient anhaltend überschwänglich aus.
Udo Klebes

