Stuttgart: Die Frau ohne Schatten, 1.11.2023
Martin Gantner, Michael Nagl, Irene Theorin. Foto: Matthias Baus
Die Stuttgarter Oper kommt seit langem wieder mit einer Neuinszenierung von R.Strauss’/H.v.Hofmannsthals Opus summum Die Frau ohne Schatten heraus, musikalische Leitung Cornelius Meister, Regie David Hermann, der 2018 einen Internationalen Opern Award für seine Regie der 3 Kurzopern von Ernst Krenek Der Diktator, Das Schwergewicht und Das geheime Königreich an der Oper Frankfurt erhalten hat. In seinem Team zeichnet Joe Schramm für Bühne, Licht und Video, die Kostüme wurden von Claudia Irro und Bettina Werner entworfen. Es entsteht dabei eine auch für das Publikum sehr kompatible Wiedergabe dieses sich an Carlo Gozzi inspirierten Maerchens vom Geister- und Feenreich mit einer von Schatten- und Fruchtbarkeitsmystik getränkten Oper, die auch die ungeborenen Kinder verklärt. Wegen dieser Problematiken wurde sie aber nie so populär wie andere Strauss-Werke, trotz der überwältigenden, doch weitgehend tonal komponierten Musik.
Das ohne Vorspiel durchkomponierte Werk mit einigen wiederkehrenden eingängigen Motiven (z.B. das des Falken mit quälenden Tonwiederholungen und Dissonanzen) wird vom Staatsorchester mit besonders brillanter Klarheit und Kompaktheit wiedergegeben, wobei GMD C.Meister auf prägnante Durchhoerbarkeit der solistisch geführten Instrumente besonderes Gewicht legt und den wie bei Gustav Mahler schon gewaltigen Orchesterapparat sehr akkurat steuert. Zu bemerken ist auch der bei Steigerungen wie geschliffen klingende Sound der hohen Blechbläser,die sich oft geradezu ausdonnern.Da hat Strauss vorher Wagners späte Partituren sicherlich ausgiebig studiert.- Aber auch die leisen mystischen Stellen gelingen gut.
Die Inszenierung stellt dagegen eher überlegte Aktionen nach, verfällt nie auch bei größter inhaltlicher Anspannung in ein wildes Gewusel auf der Bühne. Sie bevorzugt eher ruhiges durchdachtes Schreiten. Auch will David Hermann nicht auf Biegen und Brechen alle intrikaten Fragen oder Ungereimtheiten des Sujets auf den Punkten bringen, z.B.auch,ob Kaiser- und Färberpaar am Ende wieder vereint sind und ob sie Kinder zeugen können. Oder ob Geister- und Menschenreich weiter koexistieren. Er sieht alles eher gelassen, und am Ende ironisiert er es auch auf seine gewisse Weise.
Dazu geben auch die beiden Bühnenbilder,die sehr gegensaetzlich zueinander stehen, einen eminenten Beitrag. Sie wechseln sich zweimal ab und stehen nicht streng nur für den Kaiserpalast oder die Färberwelt. Zuerst zwei wie geometrisch anmutende, in einem Bühnenlängsschnitt nebeneinanderliegende nach vorne offene Räume,in die man von hinten durch eine
Tür gelangt. Hinter der Tür links und rechts die nur in Kopfhöhe hinter Glas einsichtigen Zugänge. Hier der Auftritt des Geisterboten und der Kaiserin, danach der Abgang des Kaisers zur Jagd. Später links der versteinernde Kaiser, rechts schläft der Färber nach seiner Wanderung. Das 2.Buehnenbild könnte gegensätzlicher nicht sein. Es ist ein die ganze Bühne ausfüllender Innenraum eines Turms, der sich nach oben fast gotisch verstrebt. Hier ist die Färberwerkstatt durch wenige Gerätschaften angedeutet. In der Mitte ein riesiges Wurm- bzw Drachenskelett,das sich bewegt,aber zuerst mit der Handlung in keinster Weise korreliert. Beim späteren Einsatz befindet sich in dem Turm auch eine Blumenwiese, und in deren Mitte ein rundes Steinpodest. In der Schlussszene treten Färber und Kaiser darin mit dicken Bäuchen auf. Besonders der Färber steht kurz vor einer ‚Geburt‘,bei der ihm ein kleines Drachenwuermchen aus dem Bauch gezogen wird. Das genau dieselbe Gestalt mit Schuppengliedern wie der vorige Riesenwurm hat! Es wird auf das Steinpodest gelegt,dreht und windet sich da genau wie sein Riesenvorfahre.Vorher hatte schon eine Riesenpupille des Geisterkönigs Keikobad die surreale Szene beobachtet.
Benjamin Bruns. Foto: Matthias Baus
Bei den Kostümen,die für alle Beteiligten äußerst phantasievoll märchenhaft ausfallen, ist zu bemerken,dass nur die jugendliche Kaiserin von einem beigegrünen Hosenanzug später in ein fast transparentes Chiffonkleid switscht, das ihre Körperformen erahnen lässt.
6 Dienerinnen, 6 Kinderstimmen und die Stimmen der Ungeborenen singen aus dem Off sechs Soprani und Alti, davon vier Mitglieder des Internationalen Opernstudios. Opernchor (Manuel Pujol) und Kinderchor (Bernhard Moncado) sind auf der Höhe ihrer Aufgaben. Torsten Hofmann gibt den buckligen Färberbruder, Andrew Bogard den einarmigen, und Pawel Konik den einaeugigen. Eine Stimme von oben singt Annette Schönmüller. Die Erscheinung eines Jünglings in weißem Gewand ist Kai Kluge. Die Stimme des Falken und einen Hüter der Schwelle verkörpert genau wie der Geisterbote in beigem Staubmantel und schwarz-monstroesen Sportschuhen Josefin Feiler mit lieblichem ganz konturierten Gesang. Der Geisterbote ist mit präsent kernigem Bariton Michael Nagl.
Den Färber Barak gestaltet Martin Gantner mit grossem Applomb und wuchtigem gut timbriertem Bariton. Die Faeberin stellt Irene Theorin mit vielen stimmlichen Vailleurs ihrer Seelenlage und ihres ausdrucksreichen Soprans dar.
Foto: Matthias Baus
Die Amme ist Evelyn Herlitzius mit einem bald resigniert kräftigen aber auch verschlagenem Sopran,wenn sie plötzlich von allen verlassen und verbannt wird. Den Kaiser stellt Benjamin Bruns mit fast klirrendem strahlenden jungdramatischen Heldentenor, und seine Kaiserin Simone Schneider, die sich im 3. Akt in ihre Rolle als liebende Gattin und ihren Gemahl retten wollende Frau, die auch Kinder gebären will, ganz aussingt und dabei mit einnehmend schön begabter Stimme zu grosser Form aufläuft.
Friedeon Rosén