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STUTTGART/ Staatsoper: DIE FLEDERMAUS von Johann Strauß. Die Welt steht auf dem Kopf

19.12.2021 | Operette/Musical

STUTTGART/ Staatsoper: DIE FLEDERMAUS von Johann Strauß am 18.12. 2021 in der Staatsoper/STUTTGART 

Die Welt steht auf dem Kopf

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Foto: Martin Sigmund

In Philipp Stölzls Inszenierung (Bühne: Philipp Stölzl, Conrad Reinhardt; Kostüme: Ursula Kudrna) steht die Welt buchstäblich auf dem Kopf, denn das Haus Eisensteins und Prinz Orlofskys Villa drehen sich ständig. Zuvor haben sich auf einer Waldlichtung allerlei fantastische Gestalten getummelt. Rosalinde versteckt ihren einstigen Gesangslehrer und Liebhaber Alfred kurzerhand in einer Uhr. Ihre Zofe Adele möchte an einem Fest des Prinzen Orlofsky teilnehmen. Doch Rosalinde lehnt das ab, weil sie nicht allein bleiben möchte, denn ihr Gatte muss eine Arreststrafe absitzen. Eisenstein selbst hat noch eine Auseinandersetzung mit seinem Advokaten Dr. Blind, durch dessen Ungeschicklichkeit die Strafe noch erhöht worden ist.

Das alles kommt in der temporeichen Inszenierung in einem riesigen Spannungsbogen zum Ausdruck. Im Gartensalon beim Prinzen Orlofsky verspricht Dr. Falke dem Prinzen, dass er sich auf das Spiel „Die Rache einer Fledermaus“ gut vorbereiten solle. Und auf diesem Ball ist dann tatsächlich der Teufel los, denn die Bühne scheint mit der ungarischen Gräfin, dem völlig verwirrten Frosch und einem französischen Chevalier „chacun a son gout“ tatsächlich auseinanderzufallen.  Adele wird dem Prinzen als junge Künstlerin vorgestellt, und zuletzt tritt Gefängnisdirektor Frank als Chevalier Chagrin selbst auf den Plan. In reicher Champagnerstimmung klingt das Fest aus. Ein komödiantischer Höhepunkt dieser Vorstellung findet in der Kanzlei des Gefängnisdirektors statt, wo der sliwowitztrinkende Gerichtsdiener Frosch allerlei Unsinn von sich gibt. Er nimmt die Corona-Testergebnisse der Gefangenen entgegen und achtet auch auf die G2-Nachweise. Damit hat die Inszenierung deutlich aktuelle Bezüge. Es kommt auch noch zu einer heftigen Rangelei zwischen Gabriel von Eisenstein und seinem Konkurrenten Alfred. Hier glänzt die Inszenierung durch geradezu satirischen Spielwitz. Jetzt kommt noch heraus, dass Gabriel von Eisenstein auf die Verstellungskünste seiner eigenen Frau hereingefallen ist. Nach seinem Willen soll allerdings Alfred  weiterhin die Arreststrafe absitzen. Beim Erscheinen der gesamten Abendgesellschaft begreift Eisenstein aber endlich, dass er der „Rache einer Fledermaus“ zum Opfer fiel. Die männliche Ordnung wird hier arg in Frage gestellt. Er verschwindet kurzerhand im Kabuff. Und der Gerichtsdienster Frosch stellt die gesamte Wiener Gesellschaft bloß. Es ist eine sehr schwankende Welt, die hier präsentiert wird.

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Astrid Kessler (Rosalinde) und Matthias Klink (Eisenstein). Foto: Martin Sigmund

Unter der energischen Leitung von Cornelius Meister musiziert das Staatsorchester Stuttgart wirklich aus einem Guss. Wienerische und  pariserische Elemente gehen nahtlos ineinander über – und die zahlreichen  Themen und Motive werden immer wieder wie ein reizvoller musikalischer Blumenstrauß serviert. Die verführerischen Ausgangs- und Verknüpfungspunkte kommen jedenfalls nicht zu kurz und lassen den Sängerinnen und Sängern genügend Freiraum, um ihre Talente zu entfalten. Matthias Klink brilliert als genervter Gabriel von Eisenstein, der mit strahlkräftigem Tenor von einer Schwierigkeit in die nächste taumelt. Als seine Frau Rosalinde überzeugt ebenso Astrid Kessler, die beim Csardas mit ihrer zielsicheren Sopranstimme ein wahres Feuerwerk entfacht. Gute Charakterporträts liefern ferner Franz Hawlata als burschikoser Gefängnisdirektor Frank, Ida Ränzlöv (Mezzosopran)  als wandlungsfähiger Prinz Orlofsky, Kai Kluge als höhensicherer Tenor und Gesangslehrer Alfred (der auch noch Arien von Verdi und Wagner schmettert), Björn Bürger als gewitzter Notar Dr. Falke, Torsten Hofmann als Advokat Dr. Blind, Beate Ritter als gesanglich leuchtendes Stubenmädchen Adele, Heiko Pinkowski als Frosch und Cleo Röhlig als Adeles Schwester Ida. Für die Balettratten (Stephanie Roser, Cara Laureen Remke, Francesca Meola, Cosima Aichele, Jeannette Nickel, Daniela Wörner) hat sich Philipp Stölzl eine ganz besonders raffinierte Choreografie ausgedacht. Schon die schwungvolle Ouvertüre führt überaus ausgelassen in diesen musikalischen Reigen ein, aus dem Alfreds Lied „Täubchen, das entflattert ist“ und Orlofskys berühmtes Couplet „’s ist mal bei mir so Sitte“ als besondere Leckerbissen hervorragen. Beate Ritter verleiht Adeles Ariette „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ und dem Liedchen „Mein Herr Marquis“ ganz besonderen gesanglichen Zauber. Und weitere Höhepunkte sind hier das komische Abschiedsterzett im ersten Akt „O je, o je, wie rührt mich dies“ sowie die grandios musizierte Tik-Tak-Schnellpolka, die im Duett zwischen Rosalinde und Eisenstein im zweiten Akt gipfelt.  Alfreds Trinklied „Trinke Liebchen, trinke schnell“ versinkt dann tatsächlich im Abgesang „Glücklich ist, wer vergisst“. Auch der Galopp „Im Feuerstrom der Reben“ mit dem rasanten Walzer und der „Brüderlein und Schwesterlein“-Weise besitzt bei Cornelius Meister und dem Staatsorchester Stuttgart eine dezente, aber nie aufdringlich wirkende Ironie. Dass das Aufheben der Zeit tatsächlich das bestimmende Element dieser Musik ist, macht Cornelius Meister mit dem Staatsorchester treffsicher deutlich. Eine ausgezeichnete Leistung bietet auch der von  Manuel Pujol einfühlsam geleitete Staatsopernchor Stuttgart.

So gab es viel Applaus und „Bravo“-Rufe

Alexander Walther

 

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