Stuttgart: DER SPIELER von Prokofjew 2.2.25 Premiere
‚Der Spieler“‚ nach Dostojewski wie immer auf Prokofjews eigenes Libretto ist neben der „Liebe zu den drei Orangen“ sein bekanntestes Bühnenwerk und aus dem Repertoire nicht wegzudenken. Die späteren Werke wie ‚Der feurige Engel“ und „Krieg und Frieden“ haben dagegen einen schwereren Stand. Prokowjew hatte seinen ‚Spieler‘ 1917 ca.30jährig noch in Russland vollendet, ging dann aber wegen der Revolution ins Ausland. Erst 12 Jahre später konnte er diese Oper, die ihn in gewisser Weise auch selbst charakterisierte (er war aber eher ein bravouröser Klavier-Spieler), 1929 am Theater de la Monaie in Brüssel urauffuehren. Wahrscheinlich, weil DER SPIELER zu radikal und modern war, konnte er sie im Gegensatz zur LIEBE ZU DREI ORANGEN, die 1921 in Chicago ein glänzendes Debut feierte, dort nicht herausbringen und musste sie vor Brüssel einer radikalen Umarbeitung unterziehen. Diese Erfolge bewegten ihn dann auch zu einer Rückkehr in die ‚konsolidierte‘ Sowjetunion.
Inhaltlich ist Der Spieler eng bezogen auf Dostojewskis Roman bzw einer Episode daraus in Roulettenburg, wo Dostojewski seine eigene Spielerkarriere erzählt. Die Akte 1-3 spielen in einer Hotelhalle, einem Hotelsalon, dessen Casino und im Hotelzimmer des Spielers in dieser Fantasiestadt. In der Inszenierung von Axel Ranisch gibt es dagegen einen eher dystopischen Einheitsort, eine Großbaustelle, auf der ein riesiger halbdiagonaler Ring von einer vom Bühnenhimmel herunterhängenden Kette aus der Erde herausgezogen werden soll, um im letzten Akt, aber in gerundeter Form, als begehbares Roulette des Spielkasinos zu fungieren. Das Bühnenbild 1-3 komplettiert im Hintergrund eine Alpenlandschaft, die teils in glühendsten Farben mutiert. Am Ende wird hier noch eine Rakete gezündet, was dokumentiert, wie weit weg wir uns dann im eigentlichen Spielakt von der konkreten Welt befinden. Bühne: Saskia Wunsch.
Veronique Gens, Elmar Gilbertsson. Foto: Martin Sigmund
Die Musik ist ein kühn-grandioser Wurf des frühen Prokofjew. In den frühen 20er Jahren wurde er aber von Strawinsky, der auch ins Exil ging, mit dessen Skandalmusiken wie dem Sacre du printemps fast übertrumpft, und vielleicht ging die Spieler-Umarbeitung in ein etwas konzessionistischeres Fahrwasser über. Nicholas Carter bemühte sich mit dem Staatsorchester, wiederkehrende rasante Läufe, wie sie ja auch parallel in ‚Orangen‘ vielfach auftreten, messerscharf und gespickt besonders in den Holzbläsern, herauszuarbeiten. Es ist meisterlich, wie auch orchestrale Balance immer austariert erscheint. Dieses unaufhaltsame Draeuen, das besonders in den ersten Akten auch gerne atonal daherkommt, wird dann aber auch in einen melodischen Fluss umgeleitet bzw eingebettet. Zum Schluss, wenn auch der Chor beim Casinospiel auftritt, steigert sich die Musik in gewaltigen Klangballungen, die der junge designierte Stuttgarter GMD, der Melbourner Nicholas Carter, schon klug zu dosieren weiß.
Ausrine Stundyte und Daniel Brenna in der Spielhöhle. Foto: Martin Sigmund
Auf die Bühne von Saskia Wunsch setzt Ranisch diese Familienstory Dostojewskis von halbverarmten Russinnen, die sich mit dem Spielen zu sanieren verhoffen und sich dabei selbst noch, auch in Liebescabalen, uebertoelpeln. Die Hauptfigur als Spieler ist aber Alexej, eigentlich Hauslehrer und hat sich in die Stieftochter des Generals, Polina verliebt. Es sind die einzigen „vernünftig“ gekleideten Personen, besonders der ‚Spieler‘, Polina wirkt in fantastisch-antik designter blau-rosa Tunica und ganz kurzen Haaren wie der Goetterbote Hermes, auch eher unvernünftig. Fuer sie erscheint der etwas dröge Alexei wohl keine Partie,sie benutzt ihn für eigene Zwecke. Dafür kommt Daniel Brenna als jugendlicher Heldentenor mit größten Gesangsanteilen, die er exzellent und mit metallischem Timbre meistert, zum Zug. Polina ist als Gegen-spielerin ausersehen, kommt aber als solche gar nicht zum Zug. Damals durften, zumindest bis zum Endes des 1.Weltkriegs,Frauen ja gar nicht spielen. Fast wirkt die Litauerin Ausrine Stundyte, die schon Titerollen in ELEKTRA, DIE TOTE STADT (Marietta), und im FEURIGEN ENGEL gesungen hat, unterbesetzt, da sie hier eher wenig zu singen hat, und ihr kräftiger Sopran kann sich wenig aussingen, und das Timbre verbleibt stumpf. Der General hat sinnbildlich für seinen Geldverlust auch bereits seine Kleidung wohl verramscht. Nur das Vorderteil seiner Uniformjacke gemahnt noch an frühere Würden. Es ist der bestens disponierte Bass Goran Juric. Sein Adlatus, der Marquis, auch erfolgloser Spieler, ist Elmar Gilbertsson, hier als Tunte dargestellt in schwarzer Strumpfhose, bauchfrei und mit violettem Oberteil. Gesanglich steht ihm ein bestens geführter smarter Tenor zu Gebot. Die Babulenka erscheint auch ohne Beinkleider und wird von Sopran Véronique Gens sehr dezidiert gesungen und gespielt. Mr. Astley/Casinodirektor ist im goldenen Anzug Shigeo Ishino mit smartem Bass. Hochkarätig wird Madame Blanche, Geliebte des Generals im blauen Stufenkleid, ironisch ans Gestänge der Reifröcke gemahnend, von Stine Marie Fischer gegeben. Fürst Nilski in goldenen Joggingpuffern, ist für körperliche Ertüchtigung der dekadenten Belegschaft zustaendig: tenoral Robin Neck. Das Ensemble wird von Peter Lobert/Wurmerhelm und Jacobo Ochoa komplettiert.
Im Casino 4.Akt kommen noch einige Chormitglieder des großartig von Manuel Pujol einstudierten Opernchors solistisch zur Geltung. Hier tragen alle schwarze, aber ganz verschiedenartig gestylte Kostüme (Claudia Irro und Bettina Werner, Kostümbild) und bewegen sich in einem auschoreographierten Tableau von Janine Grellscheid auf dem sich drehendem Riesenspieltisch.
Friedeon Rose’n