Stuttgart: Der Gefangene/Das Gehege 26.5.2018
In einem Doppelabend wird in Stuttgart die in den Nachkriegsjahren im Westen am häufigsten gespielte zeitgenössische Oper Der Gefangene von Luigi Dallapiccola und die nächtliche Szene Das Gehege auf einen Text von Botho Strauss von Wolfgang Rihm gespielt. Auf der durch graue Betonmauern begrenzten Bühne sehen wir einen Käfig, in dem sich der Gefangene befindet, seine Mutter, die vorher schon den Prolog zusammen mit dem Chor aus dem Off gesungen hatte, liegt oben darauf.
In der Regie von Andrea Breth geht es auch darum, die eigentliche geschichtliche Verortung des Gefangenen als Opfer der Inquisition im niederländischen Freiheitskrieg gegen Spanien weitgehend zu allegorisieren, zeitunabhängig zu behandeln. Der Großinquisitor erscheint in der Zelle in Gestalt des Gefängniswärters, der ihm von Hoffnung auf das Ende seiner Leidenszeit erzählt. In der letzten Szene wird der Gefangene aber an Seile gebunden von zwei Priestern aus der offenen Gefängnistür herausgezogen, seine Hoffnung erweist sich als trügerisch.
Im ‚Gehege‘ werden die Käfige vervielfacht und bedecken, z.T. ineinander geschachtelt die Bühne von Martin Zehetgruber. Eine Frau ist in den Zoo eingedrungen, um Zwiegespräche mit einem Adler zu halten, der aber stumm verbleibt. In verschiedener Gestalt von fünf teils maskierter Männer läßt er sich von der Frau nicht provozieren, die auch ein Messer in Anschlag bringt und sich in gewagte Positionen mit den ‚Adlern‘ an der Käfigwand begibt. Wolfgang Rihm hat sich sich in einer sehr extrovertiert expressionistischen Musik von Schönbergs ‚Erwartung‘ und Strauss‘ Salome inspirieren lassen. Diese wird von Franck Ollu und dem Opernorchester mit Verve wiedergegeben, wie Ollu auch für den ‚Gefangenen‘ die angemessen nach einem scharf markantem Eingangsemblem richtigen Töne gefunden hat.
Die Kostüme, völlig stil- und zeitunabhängig, stammen von Nina von Mechow.
Den Gefangenen singt mit warmem expressivem Wohlklang-Bariton Georg Nigl. Der Kerkermeister/Großinquisitor gibt ihm mit John Graham-Hall einen interessanten hellen Tenorgegenpart. Den 1.Priester gibt tenoral Julian Hubbard, den 2. der Baßbariton Guillaume Antoine. Die Mutter singt Angeles Blancas Gulin durch ein rundes Loch im Vorhang. Im ‚Gehege‘ hat sie den Part der Frau inne. Dabei kann sie ihren ausdrucksmächtigen farbreichen Sopran sehr gekonnt einsetzen, indem sie auch öfters die Tonhöhen effektvoll anschleift und dabei ganz katzenhaft, schwarz und rot geschminkt, agiert. Ein bemerkenswerter Sopran, der in dieser Klangsuada von Rihm zu bester Geltung kommt und den man sich auch mal als Elektra gut vorstellen könnte. Ihre ‚Adler‘ sind die vier männlichen Sänger aus dem ‚Gefangenen‘ und der Tänzer Michael Guevara Era.
Friedeon Rosén