Staatsoper Stuttgart
„DAS RHEINGOLD“ 7.5.2024 (WA 20.4.2024) – die Stimmungsmacher im Graben
Diana Haller (Fricka) und Goran Juric (Wotan). Foto: Martin Sigmund
Nach den zyklischen Aufführungen des neuen Rings in der letzten Saison erfolgen nun weitere Serien der einzelnen Teile. Den Vorabend hat GMD Cornelius Meister in andere Hände gegeben. Die ersten drei Vorstellungen standen unter der Leitung keines Geringeren als des bedeutenden Wagner-Interpreten Marek Janowski. Bereits während des Orchestervorspiels mit den wellenartig aufsteigenden Motiven des Entstehens machte sich die klar ordnende wie auch inspirierende Hand des betagten Dirigenten bemerkbar. Wie aus dem Nichts erstand der Zauber des fließenden Rheins. Dieses Vorgehen betraf dann auch die weiteren stimmungsträchtigen Passagen, egal ob auf Bergeshöhen oder in den Klüften von Nibelheim. Die Vorgaben Janowskis ermöglichten generell einen fließenden Aufbau und einen spannenden Zusammenhalt der teils kontroversiellen Schlagabtausch-Dialoge sowie einen unforciert dynamischen Vortrag der Sänger. Erhebend wie ein Monument, in einer Mischung aus Pathos und natürlichem Glanz ließ er mit dem bis auf wenige Bläserunsauberkeiten glänzenden Staatsorchester Stuttgart den finalen Einzug in Walhall erstehen.
All diese Impressionen aus dem Orchestergraben finden in der Inszenierung von Stephan Kimmig leider nur wenig Entsprechung. Die Verlegung des Geschehens in einen etwas herunter gekommenen Zirkus, in dem die Götter als eine Artistenfamilie in verschiedenen Funktionen agieren (Bühne: Katja Haß, Kostüme: Anja Rabes), sorgt wohl hin und wieder für einige amüsante Pointen und durchaus Sinn stiftende Interaktionen, doch vieles wirkt dagegen spartanisch und in der Übertragung auf alternative Darstellungsmittel flach, wenig glaubwürdig und gegenüber der musikalischen Pranke allzu reduziert. Die heute wohl unverzichtbaren Video-Einblendungen im Hintergrund sind zum Glück so auf Distanz gehalten, dass sie ausgeblendet werden bzw. keinen maßgeblichen Bezug erkennen lassen können.
Das in einigen Positionen neu besetzte Sänger-Ensemble vermochte genauso wie das Orchester Wagners musikdramatischem Zugriff Rechnung zu tragen. Voranzustellen sind die beiden Rollendebuts dieser Serie. Moritz Kallenberg ist vom Froh zu Loge gewechselt und wird diesem großen Aufstieg mit seinem immer mehr an Resonanz und Kraft gewinnenden Tenor mühelos gerecht, zumal er seinen anspielungsreichen Text gewandt und nuanciert auszureizen vermag. Auch im etwas nichtssagenden schwarzen Outfit und stets einen Feuerlöscher zur Hand weiß er dem zwischen den Parteien lavierenden Halbgott windungsreich beobachtende Präsenz zu geben.
Auch Diana Haller fügt mit der Fricka ihrem vielseitigen Repertoire eine weitere Note hinzu, indem sie ihren hellen, viel Lebendigkeit und Engagement versprühenden Mezzosopran deutlich deklamierend und gleichzeitig mit viel Gefühl einsetzt und ihrem Spiel auch verführerisch sinnliche Akzente beimischt.
Michael Mayes (Alberich) und Moritz Kallenberg (Loge). Foto: Martin Sigmund
Goran Juric führte die Götterriege wieder mit imposant ausdrucksgeladenem Bassbariton an, sein Wotan überzeugt auch im etwas lächerlichen Outfit mit langer Blondhaar-Perücke in großer wie auch kleinerer Geste. In der Auseinandersetzung mit Alberich um den Gewinn der Macht gewährenden Insignien behält er die Oberhand, obwohl Michael Mayes seinem männlich erdigen, nie schwer tönenden Bariton bisweilen noch etwas mehr Farben abgewinnt und sich vom leichtfertigen zum bemitleidenswert ernsten Nibelungen wandelt. Der Stimme des Amerikaners fehlt neben einer durchsetzungsfähigen Höhe und stabilen Mittellage nur eine gehaltvollere, tragfähigere Tiefe. Drangsaliert und unterdrückt setzt Thomas Cilluffo als Mime in Clowns-Gestalt mit transparent hellem und nicht ins Grell-Weinerliche Zuflucht nehmendem Tenor einen leichten Kontrast in der Schmiedewerkstatt.
Pawel Konik stattet den hier als eitlen Gecken mit blonder Haar-Tolle staffierten Donner wieder mit festem Bassbariton aus, der bei der Anrufung des schwülen Gedünstes nichts an Durchschlagskraft und gebietender Macht zu wünschen übrig läßt. Neu dazu gestoßen ist David Kerber, der Froh jugendliche Erscheinung und schon recht durchsetzungsfähige und gleichzeitig sensible tenorale Kontur gibt. Eliza Boom umreißt die Lichtgestalt der Freia mit klaren Soprantönen des Zwischenfachs. Stine Marie Fischer kann nichts dafür, dass ihr Erscheinen als Erda mit dem Fahrrad, wiewohl zentral nahe der Rampe postiert reichlich plump daherkommt, während sie mit der vokalen Intensität ihres nicht wirklich dunklen, mehr in die Höhe ausgerichteten Alts, für ein paar bannende Minuten sorgt.
Prächtig im Auftritt auf Plateausohlen und mit raumfüllend intensiver Verbindung von klangreicher und expressiver Textauslotung setzten die beiden Riesen David Steffens (Fasolt) und Adam Palka (Fafner) wieder unerschütterliche Glanzpunkte und gewährten durch den Kontrast eines helleren und eines dunkler dräuenden Basses zusätzlichen Reiz.
Komplett ersetzt wurden die drei Rheintöchter durch Josefin Feilers schon recht dramatisch unterfütterten Sopran (Woglinde), Lucia Tumminellis schlankeren und helleren Sopran (Wellgunde) und Deborah Safferys warm tönenden Mezzosopran (Floßhilde). Warum sie in etwas hausbackenen Schulmädchen-Uniformen herum tollen, gehört zu den immer noch offenen Fragen an das Regieteam.
Im längst nicht gefüllten Haus wurden die Solisten differenziert bedankt, der Hauptjubel galt den Musikern und dem über 80jährigen Maestro, der für die Kondition für pausenlose zweieinhalb Stunden Höchstleistung nur bewundert werden kann.
Udo Klebes