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STUTTGART/ Staatsgalerie: „Der ganze Hugo Wolf“. Internationale Hugo-Wolf-Akademie

26.03.2023 | Konzert/Liederabende

„Der ganze Hugo Wolf“ am 24. und 26. März 2023 in der Staatsgalerie – Internationale Hugo-Wolf-Akademie /STUTTGART 

Verschmelzung von Seele und Singstimme

Hugo Wolf wusste, was ehebrecherische Leidenschaft war, denn er hatte eine lange Affäre mit Melanie Köchert, der Frau eines Hofjuweliers namens Heinrich Köchert. Auch davon erzählen seine heißblütigen Lieder. Gleich zu Beginn überraschte der versierte Tenor Stuart Jackson mit der subtilen Klavierbegleitung von Michael Pandya bei den Hugo-Wolf-Liedern  „Frühlingsgrüße“, „Auf dem See“, „Liebesfrühling“ und „Er ist’s“ mit nie nachlassender Emphase und einem stark emotionalen Ausdruck. Die dynamischen Steigerungen wurden klug aufgebaut. Auch bei „‚Beherzigung Ach was soll der Mensch verlangen?'“ zeigte sich Stuart Jacksons untrügliches Gespür für Klangfarbenwechsel und feine Stimmungsunterschiede. Auch die strahlkräftigen Spitzentöne setzte er zielsicher und mit behutsamem stimmlichen Einsatz ein. Die Septime führte neben den chromatischen Passagen nach unten. Da sah man einen Menschen, der an sich selbst zerbrach. Andrew Hamilton (Bariton) gewann „Seufzer“ von Hugo Wolf einen erstaunlichen Ausdrucksreichtum ab. Und auch Carolina Ullrich (Sopran) überzeugte bei „Karwoche“ von Hugo Wolf mit gesanglicher Leidenschaft und Intonationssicherheit. Stuart Jackson gestaltete außerdem „In der Frühe“ mit weit ausschwingenden gesanglichen Bögen – und Andrew Hamilton zeigte bei „Wächterlied auf der Wartburg“ kernige Bariton-Kultur. Ein Höhepunkt waren dann Auszüge aus dem „Spanischen Liederbuch“ von Hugo Wolf. Die dunkel-betrübte Tonart beherrschte hier Andrew Hamiltons dezenten Vortrag von „Blindes Schauen, dunkle Leuchte“ – und auch die kunstvollen chromatischen Figurationen von „Tief im Herzen trag‘ ich Pein“ gerieten mit einem scharf akzentuierten Rhythmus dank Andrew Hamiltons emotionalem Vortrag zu einem weiteren Höhepunkt.  Carolina Ullrich gestaltete „Dereinst, dereinst, Gedanken mein“ mit elektrisierenden Spannungsmomenten. Noch eindrucksvoller gelang ihr „Wehe der, die mir verstrickte“, denn hier erreichte der eindringliche Vortrag ein fast opernhaftes Pathos. Und der Pianist imitierte ein Peitschenknallen. Aber auch bei „Schmerzliche Wonnen und wonnige Schmerzen“ erwies sich Carolina Ullrich als eine Hugo-Wolf-Interpretin ersten Ranges, die die seelische Tiefe dieser Musik wirkungsvoll zu Gehör brachte. Ein 17jähriges spanisches Mädchen schildert hier ihrer Mutter den Himmel und die Hölle der Liebe. „Geh, Geliebter, geh jetzt!“ zeigte Carolina Ullrichs Fähigkeit, die kontrapunktischen Verstrickungen in der Tonart Fis-Dur eindrucksvoll zu Gehör zu bringen. Geschildert wird, wie hier eine ehebrecherische Geliebte den Geliebten bittet, im Morgengrauen fortzugehen.

Tobias Truniger moderierte den ersten Abend kenntnisreich. Nach „Der Rest“ folgte am Sonntag „Das Finale“ mit einer großartigen Diana Haller (Mezzosopran) und einem ausgezeichneten Mikhail Timoshenko (Bass-Bariton) bei Auszügen aus dem „Italienischen Liederbuch“. Diana Haller gestaltete die Lieder „Mein Liebster singt am Haus im Mondenschein“, „Wohl kenn‘ ich Euern Stand“, „Wer rief dich denn?“ und „Ich hab‘ in Penna“ mit samtweichem Timbre, strahlkräftig-ausladender Höhe und großer gesanglicher Leidenschaft. Und auch Mikhail Timoshenko stand ihr bei Liedern wie „Ein Ständchen Euch zu bringen“ oder „Heb auf dein blondes Haupt“ nicht nach. Carolina Ullrich Sopran) überzeugte nochmals bei den Goethe-Liedern „Mignon: Kennst du das Land“ und „Heiß ‚ mich nicht reden“ mit starker stimmlicher Intensität. Und auch die für Sarah Wegener kurzfristig  eingesprungene Sopranistin Mirella Hagen gewann den Mörike-Liedern „Im Frühling“ und „Verborgenheit“ stark verinnerlichte Gefühle ab. Yuriy Hadzetskyy (Bariton) überzeugte insbesondere beim „Rattenfänger“ aus den Goethe-Liedern mit starker musikalischer Charakterisierung. Und David Steffens (Bass) gewann „Wer sein holdes Lieb verloren“ sowie „Anakreons Grab“ erstaunlichen Klangfarbenreichtum ab. So endete dieser 2016 begonnene Lied-Marathon mit diesem glanzvollen Konzert bei freiem Eintritt.

Alexander Walther

 

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