„Zack. Eine Sinfonie“ im Schauspielhaus Stuttgart
Ein Tausendsassa ohne Rast und Ruh…
Premiere „Zack. Eine Sinfonie“ mit Wolfram Koch am 13.1.2025 im Schauspielhaus/STUTTGART
Wolfram Koch. Foto: Astrid Karger
Der Allroundschauspieler Wolfram Koch tritt hier in der schwungvollen Inszenierung von Jakob Fedler als Tausendsassa auf, der immer wieder in viele Rollen schlüpft. Ein großer Schrank ziert die Ausstattung von Dorien Thomsen, die auch mit glamourösen Gold-Utensilien und Konfetti aufwartet. Wolfram Koch präsentiert einen hintersinnigen Text von Daniil Charms, der 1905 in Petersburg geboren wurde und als genialer Humorist gilt. Seine Figuren wurden schon einmal „Marionetten des Unsinns“ genannt – was der Theaterschauspieler Wolfram Koch gekonnt umsetzt. Dem Fernsehpublikum ist Wolfram Koch vor allem als Kriminalhauptkommissar Paul Brix im Frankfurter „Tatort“ bekannt. In „Zack. Eine Sinfonie“ tritt Wolfram Koch als Entertainer, Clown und virtuoser Trötenspieler auf. Er will sein Publikum amüsieren.
Daniil Charms Texte sind oft hintersinnig und doppeldeutig, was an diesem Abend grell zutage tritt. So erfährt man, dass die Söhne des Dichters Puschkin allesamt Idioten waren, die nicht still auf einem Stuhl sitzen konnten. Dann tritt Koch plötzlich als „Don Juan“ in Erscheinung, dessen lila Glitzergewand ins Auge sticht. Da erscheint dann auch der Chor der Mönche und Donna Anna sowie Leporello geben sich die Ehre. Zuweilen denkt man sogar an die Gespenstergeschichte von E.T.A. Hoffmann. Man hört von „Haremsfreunden“, die acht Frauen auf einmal begehren. Der russischen Seele wird tief ins Innerste geblickt. Stalin erhält „Hurra!“-Rufe von seinen Bewunderern. Und Wolfram Koch erweist sich an diesem Abend vor allem auch als wandlungsfähiger Parodist, der die Oper „Die Schamlosen“ auf die Schippe nimmt: „Ich werde dich erschlagen!“ Da denkt man dann an die Riesen Fasolt und Fafner in Richard Wagners „Rheingold“. Das traurige Schicksal eines gekündigten Professors tritt ebenfalls ins Zentrum des Geschehens, dessen Frau eines Tages nur noch seine Asche als Paketpost erhält. Sie landet schließlich ganz in Dostojewskij-Manier im Irrenhaus. Und man hört die erschütternde Geschichte von Kalugin, der vom Mieter-Kollektiv einfach in den Müll gekippt wird. So werden diese Geschehnisse in Wolfram Kochs virtuos-grotesker Darstellung ad absurdum geführt. Manchmal führt er auch Selbstgespräche im Schrank und schimpft über „Arschlöcher“. Perückentricks und Puschkinwitze würzen dieses russische Theater-Roulette in erfrischender Weise. Da erfährt man auch von der Lynchjustiz an Petrow, dessen Kopf abgerissen wird. „Soll ich für euch mal komische Gesicher machen?“ fragt Koch lakonisch in die Runde. Und der Mathematiker bekennt stolz: „Ich habe gesiegt!“ Und Andrej Semjonowitsch erwidert: „Du hast gesiegt, und jetzt gib Ruh‘!“ Bei der Brutkastenperiode sinniert Koch über die Zeit kurz nach seiner Geburt fast philosopnisch nach. Bühne und Kostüme von Dorien Thomsen passen sich dem Geschehen nahtlos an. Und auch die Musik von Michael Haves besitzt rhythmisches Feuer. Dieser Soloabend hat es in sich, weil er mit den Irrnissen und Wirrnissen des Theaterlebens versöhnt. Der Schauspielder erscheint zuweilen sogar als Deus ex Machina, der alles verändert.
Viel Schlussapplaus und „Bravo“-Rufe des Publikums.
Alexander Walther