Sven Prietz (Gottfried), Anke Schubert (Frau Imelda), Paula Skorupa (Frau Leila). Copyright: Björn Klein
Stuttgart: „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ von Theresia Walser am 23. 11. 2018 im Schauspielhaus/STUTTGART „
DREI GATTINNEN IM FIEBERWAHN
„Ich bin allergisch gegen alles Hässliche“, stellt Frau Imelda ultimativ fest. Sie ist eine von drei Diktatorengattinnen, die sich zu einer imaginären Pressekonferenz treffen. Geplant ist die Verfilmung ihres Lebens. Anke Schubert mimt diese Frau Imelda in der abwechslungsreichen Inszenierung von Burkhard C. Kosminski mit deutlichen Assoziationen zu Imelda Marcos, die über den Dächern von Manila ihren Lebensabend als Diktatorenwitwe genießt. Der von Sven Prietz mit viel Spielwitz verkörperte Dolmetscher Gottfried versucht zwischen den schwierigen Frauen zu vermitteln. Als Frau Margot brilliert Christiane Roßbach in der subtilen Rolle von Frau Margot, die natürlich eine Nähe zur früheren DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker aufweist. Die Männer von Frau Margot und Frau Imelda sind bereits verstorben – und der Gatte von Frau Leila steht momentan vor einem holländischen Gericht. Paula Skorupa spielt diese Frau Leila mit Nonchalance und Hintersinn. Sie verkörpert die tunesische Tyrannenfrau Leila Trabelsi, die aufgrund ihrer Verschwendungssucht wahrscheinlich die am meisten gehasste Frau in der arabischen Welt ist.
Der Titel des Stücks bezieht sich auf ein Gedicht von Ghaddafi: „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“. Der lybische Diktator stellte sich hier als einsamer Herrscher dar, der vom Volk zu Unrecht verfolgt wird. Bei Theresia Walser betreten drei Frauen die Bühne, denen man den untrüglichen Machtwillen deutlich anmerkt. Die gnadenlosen Selbstdarstellerinnen können sich bei der Inszenierung im Bühnenbild von Florian Etti und den Kostümen von Ute Lindenberg bestens entfalten. Und die grausam-grotesken Selbstdarstellerinnen gehen bei dieser suggestiven Inszenierung immer wieder ganz aus sich heraus: „Stalin musste doch immer wieder seinen Dolmetscher erschießen lassen!“ Man erfährt von Frau Margot aber auch, dass Stalin ein großartiger Gastgeber gewesen sei. Margot Honecker stellt für sich fest, dass sie im Film nicht darstellbar sei. Sie will den Regisseuren verbieten, dass ihr Leben dargestellt wird. Statt dessen möchte Frau Margot zur Überraschung der anderen Frauen ein Kochbuch für Kinder schreiben. Politik ist für alle ein Zustand: „Ich ekle mich vor Menschenopfern…“ Schließlich erscheint Frau Margot mit der Urne ihres Mannes Erich Honecker, die von dem tolpatschigen Gottfried fallengelassen wird. Die Asche wirbelt auf und verursacht bei Frau Leila Panikattacken.
Dann eskaliert die Situation dieser ungewöhnlichen Inszenierung, deren komödiantische Züge unübersehbar sind. Dazu trägt auch die ironische Musik von Hans Platzgumer bei. Stellenweise nimmt man sogar kabarettistische Ansätze wahr – etwa dann, wenn die Diktatorengattinnen sich forsch ans Rednerpult stellen oder sich wüst beschimpfen: „Diese barbarische Beduinenschlampe!“ Zudem werden DDR-Lieder gespielt („Bau auf, bau auf, freie deutsche Jugend, bau auf“). Frau Margot echauffiert sich immer wieder über die „Blutsauger-Weiber“ und bezeichnet Frau Imelda als „abgehalfterte Matrone“. Sie behauptet felsenfest: „Ich habe nie begriffen, wie einer so dumm sein kann, über die Mauer zu heulen„. Frau Leila hat französische Literatur studiert, was sie immer betont. Schließlich verlangt der Dolmetscher Gottfried, dass die Diktatorengattinnen sich bei Frau Margot entschuldigen sollen, was diese brüsk ablehnen. Frau Leila ist sich sicher, dass sie dereinst von Nicole Kidman gespielt wird. Und Frau Imelda träumt von einer Oper, bei der sie im Mittelpunkt steht. Sie philosophieren über „Gottesstaat und Finanzkrise“, Frau Imelda ärgert sich über „kommunistische Staatstrottel“. Doch Frau Margot trauert heftig der „Konterrevolution“ nach.
Zuletzt verlassen die Frauen wieder jene Bretter, die die Welt bedeuten. Sympathisch ist aber auch, wie gut es Burkhard C. Kosminski gelingt, die menschlichen Seiten dieser komplexen Charaktere herauszustellen. Sie zeigen tatsächlich Gefühle. Gefühle, die ihnen die Bevölkerung wohl nie zugetraut hätte. Das ist sicherlich auch das Anliegen Theresia Walsers gewesen, als sie dieses sarkastische Stück schrieb. Und man erfährt, dass Mao jeden „Frauenarsch“ tätowieren ließ.
Für das Team gab es großen Schlussapplaus und viele „Bravo“-Rufe.
Alexander Walther