Harald Schmidt mit „Spielplananalyse“ am 21.9.2022 im Schauspielhaus/STUTTGART
Stuttgart als Zentrum des Welthandel
Harald Schmidt. Copyright: Schauspiel Stuttgart
Als Grandseigneur und gewandter Entertainer präsentierte sich Harald Schmidt wieder einmal im voll besetzten Schauspielhaus mit dem neuen Programm „Spielplananalyse“. Zwischen Gedanken an „Schnickschnack“ und attraktive Blondinen sowie an Peter Zadek zeigte er dem Publikum seine gewitzte „Powerpointpräsentation“ in allen Facetten. Er wandte sich auch im Stil Loriots gegen den Missbrauch des Wortes „Hiobsbotschaft“. Es solle keine „Mini-Aufregungen“ geben.
Diese „Spielplananalyse“ beschränkte sich allerdings auf das Schauspiel. So wurde vor allem „Don Carlos“ von Schiller erwähnt, in dem es vor Briefen nur so wimmeln würde. Er kritisierte dann sarkastisch das „unfassbare Gelaber“ bei ARD und ZDF im Rahmen der umfangreichen Berichterstattung über die Beerdigung der Queen. Dabei bemerkte er, dass Kate „um Klassen besser“ wie Meghan sei. Alter Adel, der nur noch von Mottenkugeln zusammengehalten werde, erhalte dadurch neuen Wind. Auch Prinz Andrew als „Randy Andy“ fand im Zusammenhang von Rechtsschutz-Fragen Erwähnung, während er für die neue britische Premierministerin Liz Truss warme Worte fand. Sie hätte bei der Queen-Beerdigung gut ausgesehen. Prinz Albert und „seine“ Charlene sowie Juan Carlos und „seine“ Sophia seien bei der Queen-Beisetzung die weiteren Royals gewesen, die er interessant fand. Das beste Kleid habe aber Brigitte Macron gehabt.
Harald Schmidt ließ als brillanter und erfahrener Entertainer seinen Wortwitz Revue passieren, dem Publikum wurde so nie langweilig. Er meinte, dass er gerne den CDU-Parteitag bei Phoenix beobachtet hätte. Auch den nicht nur in Bayreuth bestens bekannten Dirigenten Christian Thielemann ließ er zu Wort kommen: „Wer Zar und Zimmermann nicht kennt, versteht die Meistersinger nicht.“ Beissenden Spott erntete die Mikrofon-Wut vieler Prominenter. Schmidt meinte, dass er sich wünsche, dass Friedrich Merz hier „hochgehe“. Er gestand, sich als Dax-Vorstand verkleidet zu haben, scherzte virtuos mit den Zuschauern. Er erwähnte mit abgründigem Humor den Film „Geldwäsche“ mit Meryl Streep. Und schließlich meinte er, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Vereinigten Königreich Großbritannien beitreten solle. Bundespräsident Steinmeier könne dann ja weiter den Büroleiter spielen und in Schloss Bellevue bleiben. Während König Charles III. über den „Scheiß Füller“ geflucht habe, hätte er auch an Saskia Esken bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags denken müssen.
Harald Schmidt verstand es geschickt, sein Programm mit immer neuen sarkastischen Querverweisen zu würzen. Der Klassik-Kenner Schmidt erwähnte zudem den Dirigenten Franz Welser-Möst, der sich lobend über Angela Merkels „Rosenkavalier“-Kenntnisse geäussert habe. Auch große Strauss-Sängerinnen wie Hildegard Behrens fanden bei ihm Erwähnung. Und die Leistung Asmik Grigorians in Puccinis „Il Trittico“ bei den Salzburger Festspielen lobte er ausdrücklich. Schmidt steht zurzeit als König Ludwig XV. in der Operette „Die Dubarry“ in Wien in der Volksoper auf der Bühne. Er gab einige Kostproben zum Besten, wies hinkend darauf hin, dass Goebbels dieses Werk einst verboten habe. Am Klavier spielte er eine kurze Reminiszenz an Richard Wagners „Rheingold“-Vorspiel, wobei er an den „Rheingold“-Vortrag des Stuttgarter Generalmusikdirektors Cornelius Meister erinnerte. „Aufgebrezelte Eltern“ hatten bei ihm mit der plärrenden Göre als Tochter ihre liebe Not, während der Vater Alberich mimte. Weitere Schauspiel-Premieren wie „Woyzeck“ und „Dantons Tod“ fanden ebenfalls Erwähnung, wurden geschickt ins Programm eingebettet.
Breiten Raum nahm dann das Thema „Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und Karl Marx“ ein. Er beschäftigte sich ironisch mit Nietzsche, dem Mann, „den sie Pferd nannten.“ Und er echauffierte sich über die „stinkige Tischdecke“ im Nietzsche-Haus in Sils Maria. Schmidt amüsierte sich über die „Herzstolperwochen“ der Bundesregierung, erwähnte Hubertus Heil, der am Jägerzaun mit Jeans und kugelsicherer Weste stand. „Was tut diese Junta in Berlin für uns?!“ lautete die barsche rhetorische Frage. Weitere Schauspiel-Premieren wie Shakespeares „Sturm“ und Ibsens „Volksfeind“ kamen nicht zu kurz.
Der Kabarettist lästerte an diesem durchaus amüsanten Abend immer wieder nach Herzenslust über prominente Persönlichkeiten wie etwa Wolfgang Schäuble, der den Namen von Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank sehr schwäbisch aussprach. Auch die Grünen-Politikerin Claudia Roth wurde von Schmidt markant charakterisiert. Und Bundeskanzler Scholz würde im Gegensatz zu seinem Pressesprecher Steffen Hebestreit kerzengerade stehen. Robert Habeck und Annalena Baerbock erschienen dagegen als grünes „Duo infernale“. Und mit der Causa Guttenberg startete Harald Schmidt natürlich einen Frontalangriff auf die „Bild“-Zeitung. Mit Blick auf einen an Raucherhusten erkrankten Insolvenzverwalter aus Düsseldorf erwähnte er, dass die Schillerhöhe geschlossen sei. Bei ihm wurde selbst Bundesinnenministerin Nancy Faeser medikamentös behandelt.
Mit Teodor Currentzis, Thomas Guggeis und Cornelius Meister habe man ein beachtliches Dirigenten-Triumvirat in Stuttgart. Stuttgart erschien hier als Zentrum des Welttheaters, wo sich die Weltstars die Türklinke in die Hand geben. Dazu gehöre dann auch „Cabaret“ in der Inszenierung von Calixto Bieito. Schmidt schnitt an diesem vergnüglichen Abend viele Grimassen und lästerte über Flauberts „Madame Bovary“, die er als „kleine Schlampe“ bezeichnete. Respektlosigkeiten standen auf der Tagesordnung: „Haben Sie nicht auf RTL2 Ihre Frau verprügelt?“ Das Publikum quittierte diesen Schmidt-Auftritt jedenfalls mit großem Gelächter. Trotz tosendem Schlussapplaus gab es keine Zugabe – dafür zuvor Hinweise auf die Hautprobleme von Karl Marx.
Alexander Walther