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STUTTGART/ Schauspielhaus: „ECHT SCHMIDT“ – gewitzter Entertainer mit Pianist

29.09.2019 | Konzert/Liederabende


Harald Schmidt und GMD- Cornelius Meister. Foto: Björn Klein

Premiere „Echt Schmidt“ von Harald Schmidt am 28. 9. 2019 im Schauspielhaus/STUTTGART

GEWITZTER ENTERTAINER MIT PIANIST

Der 1957 geborene Kabarettist, Schauspieler und TV-Entertainer Harald Schmidt überraschte das Publikum mit dem Bühnbild aus Calixto Bieitos Inszenierung der „Italienischen Nacht“ von Ödön von Horvath. „Wie vermeide ich CO2?“ lautete die rhetorische Frage. Das Klima-Paket, die Thomas-Cook-Pleite, Greta Thunberg, Boris Johnson und das Waldsterben wurden hier nacch Herzenslust durch den Kakao gezogen. Julia Klöckners Auftritte würden ihn an den „Herrn der Ringe“ erinnern, meinte Schmidt lakonisch. Nach dem Besuch der Schauspielschule habe er 41 Jahre daran gesetzt, diese Bühne für sich allein zu haben. Er wolle dem Publikum in diesem Zusammenhang Frontalunterricht der härtesten Sorte bieten. Er musste auch mit dem Anwalt von Claudia Schiffer rechnen. Nachdem er den seltsamen Englisch-Akzent von Boris Johnson nochmals parodiert hatte, verkündete er dem Pubikum, dass er eine besondere Beziehung zum englischen Komponisten Henry Purcell habe. Im Gymnasium habe er den Musiklehrer mit der Bezeichnung „Heinz Purzel“ auf die Palme gebracht. Dabei nahm Harald Schmidt auch den städtischen Minderwertigkeitskomplex aufs Korn. Selbst Richard Wagner wurde erwähnt. Man wisse, dass dieser ein Genie und Antisemit gewesen sei: „Den wird man hier ja wohl noch spielen dürfen!“ In Stuttgart könne allerdings jeder sehr schnell auf der Bühne stehen, man betrete als Irrer die Bühnenmitte. Schmidt gab zu, aus Versehen Wirtschaftswissenschaften studiert zu haben. „Weiß der Roboter, dass über Heiko Maas alles gesagt ist, wenn er mit der Tasche um die Ecke kommt?“ fragte Schmidt lakonisch. Das Augenklimpern von Cem Özdemir fand er genau so verräterisch wie die Tatasache, dass eine Putzfrau 40 Jahre SPD-Mitglied sei und kaum Rente erhalte. Gelästert wurde in heftiger Weise über TV-Stars wie Moderator Claus Kleber, der sich wohl auch vor den „Jungs von Trump“ fürchten müsse. Marietta Slomka und Heinz Wolf mussten ebenfalls dran glauben: „China ist heute explodiert!“ An John F. Kennedy und seine Jackie wurde erinnert. Schmidt amüsierte sich über Frauen, die Männer mit Pferdeschwanz suchten. Er erinnerte an einen Ärztekongress, wo er aufgetreten sei. Und er imitierte die Polka in der „Italienischen Nacht“. Satirisch beleuchtete der gewitzte Kabarettist und Entertainer die Kontaktanzeigen im Internet: „Attraktive Singles in Stuttgart warten auf dich…“ Da erwiderte er: „Wo wart ihr, als ich euch gebraucht hätte?“ Er suche aufgrund von „erotischem Schabernack“ nach einer „knallharten Identitären“. Man müsse eben fit für die digitalen Herausforderungen sein. Reichliche Sprachverwirrung gab es dann im Bereich des Portugiesischen und Brasilianischen. Da käme es auch vor, dass einfach mit „Tampons geschossen“ werde. Er zitierte Rudi Carrell: „Damit du was aus dem Ärmel schütteln kannst, muss ich etwas hinein getan haben!“ Er spottete über CDU-Landesverbände und über Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die „einen Arsch wie eine 15jährige“ hätte. Dann erklang Fritz Wunderlich mit „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehars Operette „Das Land des Lächelns“. Harald Schmidt bot dabei eine hintersinnige Parodie. Und er verteidigte Tenöre wie Placido Domingo, die aufgrund diverser Intrigen ihr Gesicht verloren hätten. Man brauche eine Schauspielausbildung fürs Privatleben, meinte Schmidt. Dann begrüßte er seinen Stargast: Den Stuttgarter Generalmusikdirektor Cornelius Meister. Der bestand als Mann des absoluten Gehörs nicht nur den Gehörtest bravourös, sondern philosophierte auch über Richard Wagners „Tristan-Akkord“, nach dessen mysteriösem Erklingen Wagners Schwiegervater Franz Liszt drei Tage mit Fieber im Bett gelegen habe. Zuletzt fantasierte Cornelius Meister noch zusammen mit Harald Schmidt (der das Pedal bediente) über „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss. Da tobte das Publikum schließlich und steuerte „Bravo-Rufe“ bei. Das Duo Schmidt/Meister konnte die Herzen der Theaterfans rasch für sich gewinnen. Diese erste Folge von „Echt Schmidt“ in der Inszenierung von Harald Schmidt machte als „bunter Abend für Abgehängte“ jedenfalls neugierig, zumal der Entertainer in der „Wunschpunsch“-Premiere im Oktober ebenfalls auf der Bühne steht. 

Alexander Walther

 

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