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STUTTGART/ Schauspielhaus: CABARET – Musical über die wilden 20er und 30er Jahre

20.03.2023 | Operette/Musical

Musical „Cabaret“ am 19.3.2023 im Schauspielhaus/STUTTGART

Die wilden 20er und 30er Jahre

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Foto: Toni Suter

Durch Liza Minnelli ist das Stück weltberühmt geworden. In der Inszenierung von Calixto Bieito leben die 1920er Jahre in Berlin bei diesem Musical von Joe Masteroff, John Kander und Fred Ebb durchaus wieder auf. Die Bühne von Calixto Bieito, Helen Stichlmeir und die Kostüme von Paula Klein unterstreichen stark die revuehaften Momente.

Der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw verliebt sich in die Sängerin Sally Bowles. Sie ist ein gefeierter Showstar. Clifford schlägt sich als Englischlehrer durch und schreibt an einem Roman. Als Sally plötzlich arbeitslos wird, zieht sie zu dem Schriftsteller. Da gibt es dann verblüffende Parallelen, denn auch Cliffords Pensionswirtin Fräulein Schneider ist verliebt. Sie möchte den jüdischen Gemüsehändler Schultz heiraten. Doch der beginnende Nazi-Terror lässt die gemeinsamen Träume schnell zerplatzen. Fräulein Schneider will den Juden plötzlich nicht mehr heiraten. Und Cliffords Freund, der Devisenschmuggler Ernst Ludwig, verbündet sich mit der faschistischen Gewalt. Clifford hat die Absicht, Deutschland zusammen mit Sally zu verlassen. Es kommt aber zum Bruch in der Beziehung. Denn sie entscheidet sich gegen das gemeinsame Kind, lässt es abtreiben und ist nur noch an ihrer Karriere interessiert. Sie bleibt in Berlin, Clifford verlässt sie.

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Elias Krischke und Paula Skorupa. Foto: Toni Suter

In der Inszenierung werden die Personenkonstellationen genau herausgearbeitet. Elias Krischke brilliert als überaus sarkastischer Conferencier, der die Mächte der Unterwelt mit beissender Schärfe beschwört. Die unheimliche Macht der faschistischen Kräfte kommt hier immer wieder in drohender Weise zum Vorschein: „Willkommen…“ Eine ausgezeichnete Leistung bietet auch  die hellblonde Inga Krischke als Sally Bowles, die ihren Songs einen weiten und strahlkräftigen gesanglichen Bogen gibt („Maybe this Time“). Marilyn Monroe war übrigens auch für diese Rolle vorgesehen, doch es wurde nichts daraus. Gabor Biedermann kann als Clifford Bradshaw ebenfalls überzeugen. Er demonstriert seine Ohnmacht gegenüber den Nazihorden in bestürzender Weise. Hervorragend mimt Anke Schubert Fräulein Schneider, deren Beziehung zu dem Juden  Schultz tragisch scheitert. Michael Stiller als Herr Schultz fügt sich mit Noblesse und scheinbar stoischer Ruhe in sein Schicksal. Marietta Meguid als Fräulein Kost, Klaus Rodewald als Bobby, Boris Burgstaller als Lena aus Essen, Felipe Ramos als Priscilla Queen of L’Anguilla, Carla Baumgartner als Mascha from Russia, Marco Ciullo als Gege L’Amorosso de Napoli, Luis Hergon als Lola Banana, David Hegyi als Attila aus der Puszta, Lara Sophie Neuser als Elsa die erste  im Klassenzimmer sowie Ronja Sahra als Marie-Claire le Petit und Croissant de Toulouse sind ein mitreissendes Ensemble voller Elan und darstellerischer Wucht. 

Nicholas Kok heizt seine Band am Piano immer wieder mächtig an, da sprühen elektrisierende Funken. Songs wie „Two Ladies“, „If You Could See Her through My Eyes“, „Tomorrow Belongs to Me“, „Mein Herr“, „Heirat“ und „Money, Money“ gewinnen starke und unmittelbare Bühnenpräsenz.  Sebastian Kiefer und Eckhard Stromer sorgen an den Drums für gewaltige Staccato-Attacken, die sich immer weiter zuspitzen. Da herrscht Feuer unterm Dach. Judith Goldbach und Karoline Höller entlocken dem Kontrabass swingende Leichtigkeit – und Stefan Großekathöfer und Philipp Tress sorgen mit Banjo und Jazzgitarre für eine explosive Stimmung. Das Akkordeon spielen Anne-Marie Hölscher und Janina Rüger-Aamot mit nie nachlassendem Elan – und Sabrina Buck und Johanna Hirschmann lassen die Trompetenklänge hell aufleuchten. Fabian Beck und Eberhard Budziat musizieren virtuos auf Posaune und Tuba. Heike Rügert, Angela Weiß und Ruth Sabadino (Reed 1 und 2) sorgen für weitere harmonische Siedepunkte. Ragtime und Jazz triumphieren. Juanjo Arques hat mit seiner klugen Choreographie ganze Arbeit geleistet.

Großer Jubel. 

Alexander Walther

 

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