Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/ Schauspielhaus: BERNARDA ALBAS HAUS von Federico Garcia Lorca

Zentrale Konflikte eskalieren

17.03.2019 | Theater

Bildergebnis für stuttgart bernarda albas haus
Nicole Heesters und Anke Schubert. Foto: Thomas Aurin

„Bernarda Albas Haus“ von Federico Garcia Lorca am 16.3.2019 im Schauspielhaus/STUTTGART

ZENTRALE KONFLIKTE ESKALIEREN

Szenische Nüchternheit und Sehnsucht nach Liebe und Freiheit beherrschen die Inszenierung der Frauentragödie  „Bernarda Albas Haus“ von Federico Garcia Lorca, für die Calixto Bieito verantwortlich zeichnet. Die Bühne von Alfons Flores besticht durch ein schwarz-weißes Ambiente. Stühle werden an einer Art Leinwand hochgezogen, das verleiht diesen szenischen Bildern etwas Surrealistisches und Eruptives. Zunächst wird die Totenmesse sehr intensiv geläutet, da der zweite Ehemann von Bernarda, Antonio Maria Benavides, verstorben ist. Ihre fünf Töchter und sie selbst tragen zuerst Trauer hinter schwarzen Schleiern. Diese werden nach und nach gelüftet, dadurch erhält diese Tragödie ihr Gesicht. Dass die jungen Frauen plötzlich von der Außenwelt total isoliert sind, macht Calixto Bieito als Regisseur plastisch deutlich. Der zentrale Konflikt des Dramas wird bei dieser Aufführung treffsicher aufgebaut. Angustias ist die einzige Tochter aus erster Ehe und erbte von ihrem Vater ein Vermögen. Deswegen besitzt sie die Erlaubnis, sich mit Pepe el Romano zu verloben. Adela rebelliert als die jüngste Tochter gegen die strenge Ordnung ihrer herrschsüchtigen Mutter und verliebt sich ebenfalls in Pepe el Romano, der ihre Liebe erwidert. Trotzdem entscheidet sich dieser aus finanziellen Gründen für die Ehe mit Angustias. Er trifft sich nachts nicht nur mit seiner zukünftigen Frau Angustias, sondern auch heimlich mit Adela. Dadurch eskaliert der Konflikt auch bei dieser Inszenierung in deutlicher und sehr drastischer Weise. Die eifersüchtige Schwester Martirio denunziert Adela bei ihrer Mutter. Aus diesem Grund schießt Bernarda dann im Hof mit einem Gewehr auf Pepe el Romano. Dieser flieht, während Adela glaubt, dass ihr Geliebter tot sei. Sie nimmt sich daraufhin das Leben. Dies verdeutlicht Bieito damit, dass er die Leiche an einem Seil hängend herablässt.

Bildergebnis für stuttgart bernarda albas haus
Foto: Thomas Aurin

Diese Inszenierung in den schlichten Kostümen von Merce Paloma (Mitarbeit Kostüme: Uta Baatz) lebt ganz von der hervorragenden Darstellungskunst der Schauspielerinnen, die die Zuschauer aufgrund ihrer enormen künstlerischen Wandlungsfähigkeit geradezu betören. Allen voran begeistert hier Nicole Heesters als ungeheuer schillernde und gleichzeitig undurchsichtige Bernarda Alba, die ihren Töchtern weder Freiheit noch Ruhe gönnt. Angst und Alpträume beherrschen deswegen auch die Handlung, der Calixto Bieito immer wieder Fieberschauern von Lust, Hass und Tod abtrotzt. Die Tragödie der Familie Alba ist gleichsam ein Synonym für die Tragödie Spaniens. Das Land befand sich unter Franco damals in einer Art Bürgerkrieg. Auch das Schweigen spielt hier eine zentrale Rolle, das die verzweifelten Töchter aber immer wieder durchbrechen. Sowohl Josephine Köhler als Angustias als auch Anne-Marie Lux als Magdalena und Jelena Kunz als Amelia bieten hier überragende Charakterstudien. Ergänzt wird dieses fieberhaft-feurige Spiel durch die elektrisierenden Auftritte von Paula Skorupa als Martirio, Nina Siewert als Adela und Anke Schubert als frustrierte Dienerin La Poncia.

Die Ereignisse verdichten sich so immer deutlicher und drängender. Die soziale Anklage gegen abgelebte Scheinwerte entwickelt sich hier zu einer beklemmenden Geschehniskette, die die Protagonisten in einen rücksichtslosen Strudel der Gewalt geradezu hineinzieht. Nicole Heesters vermag diesen inneren seelischen Kampf in besonders eindrucksvoller Weise zu gestalten. Auch Elke Twiesselmann hat als Großmutter Maria Josefa eindrucksvolle Auftritte. Sie rebelliert gegen „Bernarda Leoparda“, hat aber gegen die robuste Stärke dieser Frau ebenfalls keine Chance. Antithetisch gesetzte Ironie beherrscht diese Tragödie ebenso, was sich bei der Inszenierung immer wieder skurril offenbart. Das feierliche Begräbnis des verstorbenen Mannes mit seinen skurril wirkenden, endlosen Responsorien geht einher mit der schmerzhaften Unterdrückung des Trieblebens, unter dem alle Töchter leiden. Diese seelentötende Scheinmoral gipfelt in Bernardas stoischem Satz: „Ich habe mit den Herzen nichts zu tun, aber ich will eine schöne Fassade und Einigkeit in der Familie.“ Sexuelle Hemmungslosigkeit wird in brutaler Weise verteufelt, die Frauen rufen ultimativ zur Ermordung einer Kindermörderin auf. Der Mann, den die Frauen allesamt herbeisehnen, bleibt hier bis zum Schluss unsichtbar. Das „grässliche“ Haus wird zum Sinnbild der menschlichen Vergewaltigung. Bernarda führt ein tyrannisches Regiment im Haus, um die fahle Fassade der Familienehre zu wahren. La Poncia wird von Bernarda immer wieder regelmäßig losgeschickt, um diese über das Leben und den Klatsch im Dorf auf dem Laufenden zu halten. Sie geht an den grausamen Ritualen des Schweigens ebenfalls zugrunde, was Anke Schubert überzeugend herausstellt. Schmerz und Verlangen, die sich in den Jahren angesammelt haben, werden hier einfach erstickt. Dies wird auch szenisch passend ausgedrückt, indem das Gebäude wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Und die verwirrte Großmutter verschwindet in der Dunkelheit.

Viel Beifall und Jubel. 

Alexander Walther         

 

Diese Seite drucken