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STUTTGART/ Schauspielhaus: 3. LIEDKONZERT MIT ANGELA DENOKE – "Städtebewohner"

17.01.2018 | Konzert/Liederabende

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Angela Denoke. Copyright: Johan Persson  

3. Liedkonzert mit Angela Denoke „Städtebewohner“ am 16. Januar 2018 im Schauspielhaus/STUTTGART

EIN VERZAUBERNDER BLICK AUF BERLIN

Im Hintergrund sieht man die Friedrichstraße im Berlin der 20er Jahre: Angela Denoke schafft mit ihrer tiefen, ausdrucksstarken Sopranstimme gleich eine melancholische Stimmung. Begleitet von Tal Balshai (Klavier), Norbert Nagel (Saxofon und Flöte), Tim Park (Violoncello) und Catherine Janke (Rezitation) erstrahlt Kurt Weills „Berlin im Licht“ in den schillerndsten Farben. Die rasante harmonische Fahrt wird mit Walter Kollos „Untern Linden“ zügig fortgesetzt, man sieht im Hintergrund eine Dame mit ihrem Hündchen in einem Automobil auf einem historischen Foto. „Die kleine Stadt“ und „An den Kanälen“ des Filmkomponisten Werner Richard Heymann lässt den Klangfarbenreichtum von Angela Denokes Gesang aufblühen. Der insgeheim von Schönberg beeinflusste Song „Der Graben“ von Hanns Eisler schafft eine geheimnisvolle Verbindung zu Kurt Weills stark expressionistischem Lied „Und was bekam des Soldaten Weib“ mit seinem gespenstischen Schluss. Zum weiteren harmonischen Höhepunkt geraten der „Alabama Song“ und der „Bilbao Song“ von Kurt Weill, weil Angela Denoke hier melodisch und rhythmisch die richtigen Akzente setzt. Werner Richard Heymanns „Heut‘ gefall‘ ich mir“ heizt die prickelnde Atmosphäre weiter an.

„Denn wie man sich bettet, so liegt man“ von Kurt Weill eröffnet dann den zweiten Teil dieses Abends, bei dem Angela Denoke mit ihrem temperamentvollen Ensemble neben ironisch-sarkastischen Passagen oftmals auch aufwühlende Momente beschwört. „Nanna’s Lied“ von Weill beleuchtet einfühlsam das „Liebesmarkt“-Schicksal eines Freudenmädchens, wobei Angela Denoke hier auch die leisen Zwischentöne mit berührender Emphase trifft. Friedrich Hollaenders „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“ und „Zwei dunkle Augen, zwei Eier im Glas“ schaffen einen eindrucksvollen Blick auf die Exilkomponisten in den USA, die vor dem Nationalsozialismus fliehen mussten. Angela Denoke erreicht dabei eine starke Bühnenpräsenz. Für Hollaender, der mit Marlene Dietrich befreundet war, blieb dieses Exil aber zeitlebens zwiespältig. Mischa Spoliansky, der in England als Filmkomponist arbeitete, hat mit „Leben ohne Liebe“ ebenfalls ein eindringliches Seelenporträt geschaffen, das Angela Denoke mit Hingabe verdeutlicht. „Das Lied von der Moldau“ von Hanns Eisler und Friedrich Hollaenders „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ gehen bei dieser ansprechenden Wiedergabe eine verzaubernde Verbindng ein. Natürlich darf bei diesem geglückten Streifzug durch die Weimarer Republik Werner Richard Heymanns Song „Irgendwo auf der Welt“ nicht fehlen, wobei Angela Denoke mit ihrer tiefen Stimmlage auch hier mit dem Text virtuos spielen kann. „Das gibt’s nur einmal“, „Peter, komm‘ zu mir zurück“ und „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“ sind die Zugaben, bei denen die Sopranistin Angela Denoke ganz mit den Instrumentalisten verschmilzt. Catherine Janke gelingt es bei ihrer einfühsamen Rezitation, eine gefühlvolle Verbindung zu dieser doch sehr emotionalen Musik herzustellen. Das gilt für Erich Kästners „Besuch vom Lande“ ebeno wie für Bertolt Brechts „Wenn die Haifische Menschen wären“, wobei vor den „marxistischen Neigungen“ dieser Fische eindringlich gewarnt wird. Aber „es gäbe eine Kultur im Meer“. Kurt Tucholskys „Von der Gleichgültigkeit“ weist auf die Gefahren des aufkeimenden Nationalsozialismus hin – und Erich Kästners „Lob der Volksvertreter“ weckt auch die Furcht vor der Macht des Volkes an sich. „An die Nachgeborenen“ von Bertolt Brecht schafft eine bewegende Verbindung zu Spolianskys „Leben ohne Liebe“ – und auch ein eher intellektueller Text von Alfred Döblin seziert die seltsame Gefühlslage im Berlin der Weimarer Republik.

Begeisterter Schlussapplaus für diese Veranstaltung des Schauspielhauses in Zusammenarbeit mit der Internationen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart.

Alexander Walther

 

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