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STUTTGART: RIGOLETTO – Revolution und Tradition

26.10.2016 | Oper

Stuttgart: „RIGOLETTO“ 25.10. 2016– Revolution und Tradition

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Duca mit gut dosiertem Feuer: Ivan Magri. Copyright: Martin Sigmund

Nach Atalla Ayans herzerfrischend virilem, sinnlichem und betörend schön gesungenem Duca di Mantova dauerte es jetzt etwas, bis sich die Ohren auf den nicht ganz so attraktiv und markant timbrierten und bei „Questa o quella“ noch etwas belegt klingenden Ivan Magri umgestellt hatten, der für alle Vorstellungen dieser Saison eingesetzt ist und sich damit zum ersten Mal an der Stuttgarter Oper vorstellte. Diese Einsingphase ging schnell vorüber, danach war der seine verführerische Ader nicht übermäßig zur Schau stellende Sizilianer sozusagen voll auf dem Posten. Nicht immer ganz auf Linie beim Einbinden sanft phrasierter Beteuerungen, darin manchmal von etwas schwankender Festigkeit des Tons, doch je mehr es ihm der Part erlaubte loszulassen, strömte sein Tenor sicher bis in die Gipfelregionen. Davon profitierte auch wieder einmal das von einem Raunen des Publikums begleitete „La donna è mobile“ und das noch etwas an strahlender Spannkraft vermissen lassende „Bella figlia dell’amore“.  Zusammengenommen also ein guter, die Anforderungen im Wesentlichen erfüllender Rollenvertreter.

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Fesselnde Persönlichkeit mit viel Stimme: Markus Marquardt als Rigoletto     Copyright: A.T. Schaefer

Dass der Titelinterpret die Gesamtwirkung von Verdis damals kühnem, freilich politisch schon abgemildertem Hugo-Drama maßgeblich beeinflussen kann, zeigte jetzt wieder wie in der Premierenserie im Frühsommer 2015 Markus Marquardt. Eine starke Bühnenpräsenz, mimische Beweglichkeit und expressiv genauso wie kantabel einsetzbares Bariton-Material sind die wesentlichen Eigenschaften, mit denen er den hier wieder näher an die Vorlage heran geholten Hofnarren als seine Tochter instrumentalisierender Revolutionär eindringlich zeichnet. Dazu gehört vor allem auch die tonliche Differenzierung zwischen zynischem Unterhalter und egoistisch liebendem Vater. Das Racheduett am Ende des zweiten Aktes gerät dabei zu einem Höhepunkt fesselnder Attacke, indem er schließlich vor der eigenen Emphase nach Vergeltung erschrickt und wie besessen davon langsam abgeht.

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Selbstbewußte Gilda mit Höhenstrahlkraft: Mirella Bunoaica. Copyright: A.T.Schaefer

Am mitreißenden Sog dieser Szene hat auch die Gilda von Mirella Bunoaica gleichwertigen Anteil, weiß sie doch ihren tragfähigen, gut durchgebildeten lyrischen Koloratursopran aus inniger Versenkung in strahlend und lang gehaltene Spitzen zu steigern. Die Koloraturen gelingen beweglich und mit kernigem Unterbau und die ins leicht dramatische reichenden Äußerungen rund um ihre Opferbereitschaft stellen für sie keinen Grenzbereich dar. Ihr dankenswerterweise trotz (angesagter) schwerer Rückenbeschwerden ohne spürbare Schonung erfolgter Einsatz profitierte wie ein überwiegender Teil der Aufführung von der Begleit-Kompetenz des erst 26jährigen Lorenzo Viotti, der an diesem Abend neben dem Duca besonders gewürdigt werden soll. Offensichtlich hat er diese Fähigkeit von seinem 2005 viel zu früh verstorbenen Vater Marcello Viotti vererbt bekommen. Da können sich Sänger sicher getragen fühlen, ihre Bedürfnisse werden berücksichtigt und vorteilhaft für kurze Temporückungen aufgegriffen. Gleichzeitig modelliert der junge Schweizer auch die vielen Farben aus der Partitur heraus, in dem er z.B. selten so gehörte spezielle Streicherfiguren wie im Quartett zur Geltung kommen oder vor abschließenden Phasen den Ton anschwellen lässt. Die Koordination mit dem immer wieder durch Wärme, aber auch in gebündelter Schlagkraft glänzenden Staatsorchester Stuttgart wie auch dem gesamten Ensemble zeugte von großem Einvernehmen. Hoffen wir auf weitere Verpflichtungen dieses  Kapellmeisters im besten Sinne (wie es Viotti senior war).

Neben den zuverlässigen Baß-Bastionen, Liang Li als finsterem und sein „Buona notte“ in erzener Tiefe unendlich lang enden lassendem Sparafucile und Roland Bracht als bedrohlich aus der Mittelloge tönendem Monterone war Stine Marie Fischer eine auch vokal eher etwas unterkühlte Maddalena und Kai Kluge ein spielerisch quirliger und gesanglich munter tenoraler Borsa. Die weiteren Solisten Ashley David Prewett (Marullo), Carmen Mammoser (Giovanna) und Padraic Rowan (Conte Ceprano) mögen sich gleichfalls mit einem Pauschallob begnügen wie der wieder einmal so leuchtend klare und klangoffensive wie beweglich agierende Herrenchor der Staatsoper.

Jossi Wielers und Sergio Morabitos szenische Interpretation offenbarte auch diesmal neben erfreulich viel textbuchgetreuer Umsetzung bei Herausarbeitung des revolutionären Gedankens einige Ungereimtheiten und Überflüssigkeiten, die indes bei einer musikalisch insgesamt weitreichend erfüllten Wiedergabe in den Hintergrund rücken. Sowohl das Bühnenbild des inzwischen verstorbenen Bert Neumann wie auch die mehrheitlich adäquaten Kostüme von Nina von Mechow belassen das Stück in einem für heutige Verhältnisse traditionellen, aber nicht konventionellen Rahmen.

Am Ende relativ kurze Ovationen für die Hauptakteure!

Udo Klebes

 

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