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STUTTGART/ Opernvorplatz: DIE GESCHICHTE VOM SOLDATEN von Igor Strawinsky

10.07.2020 | Oper


Celina Rongen (Der Teufel). Foto: Martin Sigmund

„Die Geschichte vom Soldaten“ von Igor Strawinsky am 9. Juli 2020 auf dem Opernvorplatz mit der Staatsoper/STUTTGART

So ändern sich die Dinge

Die Handlung dieses 1918 in Lausanne uraufgeführten Musiktheater-Stücks von Igor Strawinsky (Text von C. F. Ramuz) ist rasch erzählt: Ein Soldat verkauft dem Teufel seine alte Geige im Tausch für ein Buch, das die Zukunft voraussagt. Als er vom Teufel die alte Geige zurückhaben will, kann er sie plötzlich nicht mehr spielen. Erst nachdem er sich von allem materiellen Ballast befreit und das unselige Buch zerstört hat, kann er den Teufel überlisten und eine in Melancholie erstarrte Prinzessin mit seinem Geigenspiel wieder zum Tanzen bringen. Als er mit ihr verbotenerweise zum Anfang seiner Geschichte zurückkehren will, bekommt ihn der Teufel doch noch. Die Moral: „Man soll zu dem, was man besitzt, begehren nicht, was früher war.“

In Kooperation mit dem Schauspiel Stuttgart präsentierte die Staatsoper hier eine weitgehend gelungene Produktion in der Regie von Maurice Lenhard (Choreografie: Altea Garrido; Kostüm: Siegfried Zoller, Maurice Lenhard), bei der das komödiantisch-skurrile Spiel im Zentrum stand. Der Teufel wurde hier höchst schillernd von Celina Rongen vom Schauspiel Stuttgart verkörpert, während Luis Hergon den stoisch patrouillierenden Soldaten mimte, der sich im satanischen Spinnennetz hoffnungslos verheddert. Die Körpersprache passte hier zur sarkastisch-auftrumpfenden Musik. Daura Hernandez Garcia spielte die exaltierte Prinzessin und Handlangerin des Teufels, der im Laufe der Handlung in die unterschiedlichsten Situationen und Rollen schlüpfte. Zwischen einer Vorhang-Attrappe und der weiträumigen Bühne wurden verschiedene Utensilien bis hin zu einem Berg von übereinandergetürmten Stühlen sichtbar. Vor allem der Dirigent Cornelius Meister hatte die harmonischen Finessen des vielschichtigen Werkes nicht nur bei den Marsch-Rhythmen voll im Griff. Die Musiker Frank Bunselmeyer (Klarinette), Christina Becker (Fagott), Alexander Kirn (Trompete), Bernhard Leitz (Posaune), Muriel Bardon (Violine), Stefan Koch-Roos (Kontrabass) und Philipp Ohl (Schlagwerk) legten auf improvisatorische Laune und charakteristischen Klangfarbenreichtum großen Wert. Vor allem die satirischen Elemente blitzten immer wieder grell hervor. Die kunstvollen solistischen Aufgaben der Instrumente wurden von den stimmakrobatischen Einschüben der Darsteller sehr wirkungsvoll ergänzt. Ostinate Elemente sowie polyphone und polyrhythmische Passagen wechselten sich facettenreich ab. So gipfelte das „Kleine Konzert des Soldaten“ vor der Prinzessin und seine diversen Tanzszenen in einer grotesken Apotheose. Walzer, Ragtime und Teufels-Couplet zeigten unmittelbare Wirkungskraft, die nicht nachließ. Am besten gelang dem Ensemble übrigens der kleine und große Choral, dessen Streicher-Tremolo sich tief einprägte. Da änderten sich die Dinge auch musikalisch ganz erheblich. Das Verhältnis vom Heute zum Gestern wurde tiefsinnig ausgelotet.


Foto: Martin Sigmund

Cornelius Meister zollte auch bei dieser Aufführung dem Klassizisten Igor Strawinsky seinen Tribut. Die innere Gesetzmäßigkeit seines Schaffens trat auf jeden Fall hervor. Das prüfende Innehalten dieser Musik und auch ihr philosophischer Gehalt blitzten leuchtkräftig auf. Und die Synthese von Stilkopie und Personalstil wurde von den vorzüglichen Darstellern nur noch weiter beflügelt. Strawinsky sagte einmal: „Die Musik ist ebensowenig eine tanzende Kolchose wie eine Symphonie des Sozialismus.“ Darauf ging auch Maurice Lenhard in seiner eher schlichten Inszenierung ein, die viel Beifall erhielt (Bühne/Truck: „studio umschichten“ mit Alper Kazokoglu und Peter Weigand).

Alexander Walther    

 

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