Stuttgart
„Liederabend DIANA HALLER“ 28.6.2021 (Opernhaus) – mit stilistischem Gespür
Diana Haller. Foto: Matthias Baus
Bislang hat die vor rund 10 Jahren aus dem Opernstudio des Hauses hervorgegangene kroatische Mezzosopranistin Diana Haller als Vollblutsängerin – und schauspielerin jede ihrer Rollen vom Barock bis zur Spätromantik zu einem markanten Erlebnis gemacht. Die Verbindung ihres einprägsamen Chiaroscuro-Timbres mit einem enormen Registerumfang und spielerischer Einfühlsamkeit und Hingabe machte nun auch diesen Liederabend vor dem Eisernen Vorhang zur Bühne eines reichhaltigen Gestaltungsvokabulars.
In den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ von Mahler spannt sie die schmerzlichen Momente mit ihrer pastosen Ausdruckstiefe in feinen Bögen zu den glücklichen Abschnitten ineinander, lässt Freud und Leid wie z.B. zwischen „Ach wie ist die Welt so schön“ und „Weine um meinen Schatz“ innerhalb des Lieds „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ auf engstem Raum auch mimisch lebendig werden.
Für „5 ausgewählte Lieder op. 40“ von Schumann wählt sie einen passend schlichten Vortrag, indes im Gehalt der Aussage nicht weniger auf den Punkt gebracht, was sich da an Naturbetrachtung, rhythmisch bewegender Beobachtung der Erschießung eines Soldaten und Liebesverrat in wenigen komprimierten Minuten abspielt.
Eine ganz andere Welt dann im zweiten, zum Glück ohne Pause angeschlossenen zweiten Teil (aufgrund eines gewaltigen Gewittersturms mit Dach- und Wasserschäden hätte das Konzert abgebrochen werden müssen). Zuerst „3 Canciones clasicas espanolas“ des nur mit dieser Kunstform hervor getretenen Fernando Jaumandreu Obradors (Barcelona 1897-1945). Von anfänglicher Wehmut, fast düsterem Charakter wandeln sich diese bis zur überschäumenden Lebensfreude. Diana Haller zeigt darin ihre gute Nuancierungsfähigkeit, unterstützt von ihren sauberen Tonansätzen in allen Lagen.
In noch gesteigerter, etwas gelockerter Weise taucht sie auch in „Poema en forma de 5 canciones“ (Ein Gedicht in Form von 5 Liedern) des bekannteren Joaquin Turina ein, lässt die spanische Sprache auf der Zunge zergehen und mischt raffiniert pathetischen Opernton mit fast volkstümlicher Leichtigkeit.
Noch eine Stufe höher kommt in der abschließenden „La regatta veneziana“ ihr Temperament zum Zuge. Als versierte Rossini-Interpretin sind die 3 Gondellieder, in denen Angelina ihrem Liebsten während eines Wettbewerbs Mut zuspricht, ihn anspornt, gar etwas drohend zum Sieg beschwört und ihn schließlich triumphierend feiert, ein Fest an technischer Bravour, auch wenn in einigen schnellen Läufen die Gesangslinie etwas verwischt. Viel wichtiger ist ohnehin, wie sie zwischen raschen Tempowechseln und Tonsprüngen bildhaft die Szene vor Augen führt.
Spätestens jetzt ist Solorepetitor Vlad Iftinca als Begleiter am Flügel zu erwähnen. Er hat sich mit flexibler Mitgestaltung, rhythmischer Genauigkeit und Unterstützung der Singstimme mehr als nur als Begleiter behauptet. Die Fähigkeit nicht nur den eigenen Part, die Korrektheit der Takte und Töne, sondern immer das Große Ganze im Blickfeld zu haben, zeugt wohl auch von seiner Erfahrung als Dirigent, die er nicht nur in Stuttgart bei Rossini-Opern bewiesen hat.
Zwei Zugaben waren fällig, zuerst die „Canzoletta espagnola“ von Rossini mit ihrem fast stupiden, drängend engförmigen Rhythmus, und zuletzt ein weiteres Kleinod von Turina brachten durch die hinreißend herzhafte Servierung die beständig gestiegene Stimmung vollends zum begeisterten Überschwall.
Nach diesen spanischen Exkursen wäre es naheliegend und viel versprechend, wenn sich Diana Haller mal dem Metier der Zarzuela widmen würde, zumal es dem Staatsopern-Repertoire gut täte in diese Richtung erweitert zu werden.
Udo Klebes