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STUTTGART/ Musikhochschule: WERKSTATTKONZERT DER STUTTGARTER MEISTERKURSE FÜR STIMMKUNST und Neues Musiktheater

16.02.2018 | Konzert/Liederabende

Werkstattkonzert der Stuttgarter Meisterkurse für Stimmkunst und Neues Musiktheater am 16.2.2018 in der Musikhochschule /STUTTGART

BLINDFLUG UND AUGENTANZ

Wie witzig gerade die Neue Musik sein kann, machte das Werkstattkonzert mit hochbegabten Studentinnen und Studenten der Musikhochschule deutlich. Gleich zu Beginn überraschte die gut aufeinander abgestimmte Gruppe das Publikum mit „Sculptures musicales“ (1989) von John Cage, wo das Auf- und Zerbrechen verkrusteter Hörgewohnheiten besonders auffiel.

Zufallsmanipulation und Aktionskunst triumphierte ebenfalls bei „Aria“ von John Cage, der Karera Fujita viele facettenreiche Ausdrucksmöglichkeiten erschloss. Punktuell auftretende Einzeltöne behaupteten sich wie von selbst. Herbes Kolorit und krasser rhythmischer Duktus herrschten außerdem bei „Belfast Breakfast Songs“ von Gerhard Stäbler vor, wo Catherina Berze ihre Stimme in die kühnsten Bewegungsbahnen lenkte. Melodische Linien und Akkorde verwandelten sich hier in die absurdesten Formen und Strukturen. Die Gruppe präsentierte außerdem „Four Sound Poems“ von Joseph Byrd mit nie nachlassender Intensität und Ausdruckskraft. Ironie und Witz stachen blitzartig hervor und verbreiteten im Orchesterprobenraum eine geradezu elektrisierende Aura. Von Vivienne Olive erklang dann „Whispers of heavenly death“ mit Florence Awotula, die ebenfalls enorme Intervallspannungen beschwor. „Eingedunkelt“ von Aribert Reimann beeindruckte mit Lena Sutor-Wernich. Einflüsse von Anton Webern und Alban Berg fesselten die Zuhörer hier ebenso wie die raffinierte Verknüpfung von Tonhöhenstrukturen, die sich stets verdichteten. Kapriziöse Figurationen und Melismen sowie weitgeschwungene Melodielinien wurden präzis herausgearbeitet. Klangvisionen erhielten so eine ganz besondere Bedeutung. „Letter for Iris  – Number for Silence“ (1961) von Jackson MacLow stellte an die Improvisationsfähigkeit der Gruppe ebenfalls enorme Anforderungen. „Retrouvailles“ von Georges Aperghis mit Johanna Vargas und Magdalena Cerezo spielte höchst virtuos im Umgang mit Stimme und Text, rhythmischen Impulsen sowie unterschiedlichsten Reaktionsgeschwindigkeiten. Erfindungreichtum hinsichtlich neuer Techniken herrschte dabei vor. „Cheap imitation Königin“ von John Cage variierte bravourös die berühmte Koloraturarie der Königin der Nacht aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, wo Karera Fujita mit schwindelerregenden Spitzentönen ausgezeichnet jonglierte. Die Gruppe interpretierte wiederum souverän „Boundary Music“ (1963) von Mieko Shiomi, wo sich einzelne Motivstrukturen explosiv trafen. „Der Turm zu Babel“ von Mauricio Kagel hatte in Cong Wei ebenfalls eine hervorragende Interpretin, die den besonderen Gestus dieser Komposition genau erfasste. Offenlegung von verkrusteten Verhaltensmustern und szenisches Raffinement trafen sich hier in suggestiver Weise. Verfremdungen und virtuos gestalteter Klangzauber erreichten fieberhafte Intensität. Gerhard Stäblers weitere Kompositionen „Blindflug“ mit Helen Mamich, „Augentanz“ mit Karera Fujita sowie Cathy Berberians „Stripsody“ mit Catherina Berze besaßen einen sprudelnd-mitreissenden Klangkosmos, der sich mit geheimnisvollen optischen Momenten sensibel verband.

Die Gruppe interpretierte noch „Water Yam“ (Anfang der 60er Jahre) mit verschiedenen Performancestücken von George Brecht, wo wiederum Aktions- und Klangreichtum gefragt waren. „Aria“ von John Cage mit Zografia Madesi sowie die „Kinderlieder I-IV“ von Aribert Reimann und Wolfgang Rihms „Der Untergang“ mit Johanna Vargas und Magdalena Cerezo verblüfften mit ausladender Expressivität und kühner formaler Stringenz. Dies zeigte sich auch zuletzt bei Gerhard Stäblers improvisatorisch-kalkulativ angelegter Komposition „Hart auf hart“ aus dem Jahr 1986, wo die Gruppe mit explosiven Crescendo-Steigerungen und riesigen Intervallspannungen agierte. Die Meisterkurse wurden von Angelika Luz, Anika Rutkofsky und Gerhard Stäbler geleitet.

Alexander Walther

 

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