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STUTTGART/ Musikhochschule: Werkstattfestival des Studios Neue Musik. Von der Pop-Musik inspiriert

01.12.2024 | Konzert/Liederabende

Werkstattfestival des Studios Neue Musik der Musikhochschule am 30. November 2024 im Konzertsaal/STUTTGART

Von der Pop-Musik inspiriert

Neues aus den Kompositionsklassen von Prof. Marco Stroppa und Prof. Luxa M. Schüttler wurde bei der Reihe „Künste im Turm“ präsentiert. Das echtzeitEnsemble des Studios Neue Musik unter der einfühlsamen Leitung von Christoph M Löser interpretierte zunächst „Azurinuce“ (2024) als Uraufführung von Johannes Burgert. Bei dieser Komposition (die als „work in progress“ angelegt ist) spielen Anagramme von Unica Zürn und Oskar Pastior eine große Rolle. Die Lust am Entdecken des Klangbildes wird hier zur Triebkraft, unterstützt von der Arbeit mit Elektronik im Ensemble. Posaunenklänge korrespondieren dynamisch differenziert mit dem Clavichord. Die poetische Befragung musikalischer Indentitäten steht immer wieder im Zentrum dieses Werkes.  Die Integration eines sehr leisen, barocken Instruments in das Ensemble mit einer sehr breiten Spanne an Tempi macht den Reiz des Stücks aus. In der „NN Studie Nr. 1“ (2024) als Uraufführung für Tonband von Bengisu Önder werden neuronale Netzwerke in intensiver Weise erkundet.  Dieses Stück basiert auf einer existenziellen Meditation über Sein, Nicht-Sein und „Vielleicht-Sein“, inspiriert von einem Text von Natalia Laguens.  Der Dialog zwischen Stimme und Maschine und die Rolle der KI stehen im Mittelpunkt. Das Bewusstsein und der Fluss der Zeit gehen hier eine konzentrierte Verbindung ein. Begleitet wurde die Komponistin Bengisu Önder (Elektronik) von Piet Johan Meyer (Elektronik & Klangregie). „Schön war“ (2024) von Anna Burova für Bariton, Horn und Klavier beschreibt die zerstörerische Sogkraft der Nostalgie. Das Echo der Vergangenheit spielt hier auch akustisch eine eindringliche Rolle. Arthur Adams-Close (Bariton), Guadalupe Sanchez (Horn) und Riko Kakuyama (Klavier) beschreiben dabei eine Klangwelt als durchaus faszinierende Illusion. Gleichzeitig dominiert das Echo der Vergangenheit in geheimnisvoller Weise. Svetlana Riger (Violine), Leila Saurel (Violoncello) und George Campbell (Klavier) interpretierten dynamisch differenziert und einfühlsam „Interludio“ (2024) des in Rom geborenen Lorenzo Marino. Das Klavier übernimmt hier fast eine symbolische Rolle, inspiriert die Streicher – und  auch die Kadenz des Cellos besitzt eine bemerkenswerte Eigenständigkeit. Das echtzeitEnsermble des Studios Neue Musik spielte dann „Patterns To Test“ (2024) für Ensemble des türkisch-rumänischen Komponisten Can Boerescu. Hier spielt die Celesta bei diesem durchkomponierten Stück eine beinahe hypnotische Rolle, Glissando-Effkete von Posaune und Tuba verstärken diese suggestiven Eindrücke. „Everything, Always“ (2022) der kroatischen Komponistin Sara Glojnaric für Streichorchester und Tonband lässt das Publikum am Entstehungsprozess der Komposition in ungewöhnlicher Weise teilhaben. Zum Instrumentarium gehören hier Laptop, Mixer und ein Audio Interface, die Komponistin spricht zudem selbst ins Mikrofon und kommentiert ihr Stück. Und der Dirigent agiert mit einem „In-Ear-Clicktrack“. Er gibt präzise Signale für Beginn und Ende der Probezeichen. Verarbeitet werden neben kunstvollen chromatischen Auf- und Abgängen der Streicher vor allem bekannte Pop-Songs wie etwa „Dancing Queen“ von Abba in einer ungewöhnlich  humorvollen und erfrischenden Weise. Zuletzt folgte noch „Sara dolce tacere“ (1960) für acht Gesangssolisten von Luigi Nono unter der inspirierenden Leitung von Delia Ramos Rodriguez. Das von Beethoven inspirierte Formkonzept des Fragmentarischen blitzt hier durch. Serielle und punktuelle Strukturen und weit-elektrisierende Intervallspannungen beeindruckten den Hörer bei dieser konzentrierten Wiedergabe stark. Dynamische Kontraste wurden sensibel betont.

Alexander Walther

 

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