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STUTTGART/ Liederhalle: SWR SYMPHONIEORCHESTER unter Petr Popelka

14.12.2024 | Konzert/Liederabende

SWR Symphonieorchester am 13. 12. 2024 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Gelächter der Mittagshexe

Anklänge an Antonin Dvorak sind bei „Pohadka“ („Ein Märchen“) op. 16 von Josef Suk deutlich herauszuhören, der sein Schwiegersohn war. Die thematischen Zusammenhänge werden beim Satz „Über die getreue Liebe von Raduz und Mahulena, und über ihr Leid“ deutlich, was das SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung des 1986 in Prag geborenen Petr Popelka überzeugend herausarbeitete. Beim Intermezzo „Spiel der Schwäne und des Pfaus“ erreichte die dynamische Intensität immer wieder neue Höhepunkte, die sich beim zweiten Intermezzo als eindringlicher „Trauermusik“ noch steigerten. Und der letzte Satz „Runas Fluch, und wie er durch die Liebe gebrochen wurde“ zeigte bei dieser präzisen Interpretation eine große klangliche Vielfalt und harmonische Durchsichtigkeit. Von der Spätromantik zur Moderne war es hier manchmal nur ein kleiner Schritt. Und die komplexen Wechselbeziehungen der einzelnen Themen stachen facettenreich hervor. Dass Dvoraks Klangsinn stark an Smetana geschult ist, machte die anschließende feurige Wiedergabe von dessen sinfonischer Dichtung „Die Mittagshexe“ op. 108 deutlich. Elektrisierender Rhythmus und  unverfälschte Melodie gingen Hand in Hand. Der Zauber der Harmonien eines Schubert und Brahms machte sich immer wieder deutlich bemerkbar. Das Geschrei des Kindes wird hier durch Tonrepetitionen der Oboe dargestellt. Und die C-Dur-Harmonie der Familie durchbrechen jäh die schrillen Dissonanzen der Hexe, was das SWR Symphonieorchester unter der einfühlsamen Leitung von Petr Popelka präzis und drastisch betonte. Nach dem zwölfmaligen Schlag der Kirchenglocke gelingt es der Hexe, das Kind trotz der Gegenwehr der Mutter zu entwenden, was im Orchester zu einem Aufruhr führt. Gerade diese Passage betonte Popelka mit dem SWR Symphonieorchester ganz ausgezeichnet. Vor allem die angstvollen chromatischen Aufgänge der Streicher charakterisierten das Erscheinen der Hexe treffend und wurden hervorragend herausgearbeitet. Man meinte, das höhnische Gelächter der Hexe herauszuhören. Packend und glutvoll gelang dem SWR Symphonieorchester unter der einfühlsamen Leitung von Petr Popelka dann auch die Sinfonie Nr. 1 in c-Moll op. 68 von Johannes Brahms. Diese Komposition beschäftigte Brahms über zwei Jahrzehnte.

Als Motto und Keim dieser Sinfonie erschien gleich zu Beginn das Thema bei der Einleitung un poco sostenuto. Und mit schmerzlicher Gewalt drängten hier die beiden Linienzüge auseinander. Übermenschlich und mühsam wuchtete das obere  Thema in wuchtigen Halbtonschritten in die Höhe, die starren Schläge in Bässen und Pauke hielten es eisern fest. Der umsichtige Dirigent Petr Popelka verlor  hier kein Detail aus dem Auge. Die Halbtonschritte waren so der Gärstoff dieser Sinfonie. Immer wieder wurden neue, riesige dynamische Kräfte gesammelt. Mit verbissener Energie drängte das Hauptthema hier voran, beherrschte die Durchführung ganz und gar. Das Andante sostenuto des zweiten Satzes suchte dagegen Trost und Frieden. Schmerzliches wurde dann im Takt 3 und 5/6 hörbar. Und die innige Bitte der Oboenmelodie beschwor zuletzt verklärte Klänge. Im dritten Satz un poco Allegretto e grazioso sang  das Thema friedlich-verträumt vor sich hin. Dem Idyll verliehen vor allem die Holzbläser warme Farben. Spielerische und heitere Grazie bewies das Trio. Und das grandios gestaltete Finale brachte dann die endgültige Entscheidung. Im Adagio wurde ungeheure Kraft aufgeboten, die nicht nachließen. Die Halbtonschritte wurden dabei wieder scharf charakterisiert. Trotz und Verzweiflung vereinigten sich. Im milden Leuchten der Streicher ertönte ein naturhaftes und erdentrücktes Hornthema, das das SWR Symphonieorchester  unter Petr Popelka exzellent betonte. Eine gewisse Nähe zu Wagner und Bruckner brachte die choralartige Antwort auf die Horn-Verheißung. Das rüstige Hauptthema besaß bei dieser Wiedergabe absolute Siegesgewissheit. Die Dur-Energie erinnerte sogar an Beethovens neunte Sinfonie. Nach sehr leidenschaftlichen und ernsten Auseinandersetzungen boten die Hauptthemen dieses Satzes Seitenthemen auf, um sich gegen die schicksalhafte Macht der Halbtonschritte durchzusetzen.

Der Schlusstriumph geriet Petr Popelka mit dem SWR Symphonieorchester fabelhaft! Jubel, großer Schlussapplaus.

 

Alexander Walther

 

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