SWR Symphonieorchester unter Michael Schønwandt im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART am 17.1.2020
Viele differenzierte Klangflächen
Es war ein Abend der musikalischen Vielfalt. Zunächst erklangen die „Messages“ für Orchester op. 34 (Work in progress) des ungarisch-französischen Komponisten György Kurtag. Sie sind in den Jahren 1991 bis 1996 entstanden und befreundeten Persönlichkeiten gewidmet. Und alle fünf „Botschaften“ haben nur wenige Takte. Das ist ungewöhnlich. Das SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Michael Schønwandt setzte diese Komposition mit ungewöhnlicher Klarheit und Präzision um. Leise Dynamik und große Reizdichte bis hin zu eruptiven Ausbrüchen sind kennzeichnend für diese Kompositionsweise. Das „delicatissimo“ gespielte Violinsolo eröffnete und beschloss beispielsweise den „Brief an Peter Eötvös“. Und dem Wiener Verleger Alfred Schlee hat Kurtag „Aus der Ferne“ gewidmet. Sensible Liegeklänge und reizvolle Klangfarben von Cimbalon, Celesta und Vibraphon berührten die Zuhörer in der Liederhalle. Bei „…a solemn air…“ als Hommage an Simon Albert hielten sich warme Streicherklänge mit markanten Blechbläsereinwürfen in der Balance. „Blumen sind das Volk“ für Zoltan Kocsis in memoriam Otto Kocsis beeindruckte in der subtilen Wiedergabe mit dem SWR Symphonieorchester unter Michael Schonwandt ebenfalls mit elektrisierender Leuchtkraft. Beim sehr virtuosen Konzert für Violoncello und Orchester op. 58 des britischen Komponisten William Walton stand der versierte Cellist Nicolas Altstaedt im Mittelpunkt. Zusammen mit dem minuziös agierenden SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung von Michael Schonwandt kamen die Traditionen der englischen Musik ebenso berührend zum Vorschein wie die Neigung zur Romantik. Nicolas Altstaedt stellte auch Bezüge zum Cellokonzert von Edward Elgar her. Die Achtelwechselnoten im ersten Satz wurden mit atemloser Rasanz interpretiert. Auch Assoziationen zu Sergej Prokofjew blieben hier spürbar. Sphärenhaft wirkte die Verbindung von Vibraphon und Harfe – und auch die leisen Triller in den Bratschen schufen irisierende Klangwirkungen. Eine ruhige Achtelbewegung in den Holzbläsern und das Pizzicato in den Violinen erhöhte die klangliche Intensität dieser gelungenen Interpretation, wobei das Cello sich mit dem Orchester teilweise ganz verband. Immer höher schraubten sich die chromatischen Höhenflüge des Cellos. Grelle Rhythmen und großartige Virtuosität triumphierten. Und als Zugabe musizierte Altstaedt noch einen Ausschnitt aus einer Bach-Cello-Solosuite. Unter der inspirierenden Leitung des dänischen Dirigenten Michael Schonwandt konnte sich die wilhelminische Selbstglorifizierung bei Richard Strauss‘ Tondichtung „Ein Heldenleben“ op. 40 bestens entfalten. Wie stark das musikalische Geschehen hier monumentalisiert worden ist, machte das SWR Symphonieorchester sehr plastisch deutlich. Alle bildlichen Einzelheiten spiegelten sich facettenreich in glanzvollen Tönen wieder. Als „Held“ und Kämpfer rechnete Strauss hier mit seinen Widersachern ab, die er ätzend darstellte. Sicher und selbstbewusst stellte er sich selbst als Helden vor, was das SWR Symphonieorchester unter Schonwandt in glühender Weise hervorhob. Das „Heldenleben“ besitzt auch gewisse Ähnlichkeiten mit Bruckners siebter Sinfonie, was beim Konzert ebenfalls treffsicher herausgearbeitet wurde. Das Kopfthema und die vielen motivischen Entsprechungen konnten sich jedenfalls in ausgezeichneter Weise behaupten. Hämische, kleinliche Nörgler erschienen dann als Widersacher und machten dem „Helden“ Strauss das Leben schwer. Jugendlich-tatenfroh wandte sich der Held davon ab und seiner Gefährtin zu. Beglückende und schwelgerische Melodien meldeten sich in der Solovioline, die von Jermolaj Albiker einfühlsam gespielt wurde. Kriegerische Trompetensignale weckten in heftiger Weise den Helden. Mit schier grenzenloser Selbstironie bot Strauss bei dieser beispiellosen Schlachtenmusik einen ungeheuren Klangapparat auf, wobei das SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Michael Schonwandt das harmonische Geschehen perfekt im Griff hatte. Kampflustig prallten hier die Themen aufeinander – und natürlich ging der „tapfere Soldat“ Strauss dabei als Sieger hervor. Das Kraftbewusstsein des Helden war durch diesen Sieg nur gestärkt. Und mit stolzer Bescheidenheit wies er zuletzt auf seine „Friedenswerke“. Kunstvoll wurden die Selbstzitate hier verflochten – vom „Traum durch die Dämmerung“ über „Don Juan“, „Macbeth“, „Tod und Verklärung“, „Eulenspiegel“ und „Zarathustra“ bis zu „Don Quixote“. Und beim Schlussabschnitt „Des Helden Weltflucht und Vollendung“ meldete sich das Heldenthema facettenreich im Englischhorn. Bürgerlich-intimer Zauber beendete das Werk. Besonders hervorzuheben waren an diesem bewegenden Abend die leidenschaftlich musizierenden Streicher und die intonationsgewaltigen Bläser, die sich ständig steigerten. Heftiger Jubel.
Alexander Walther