SWR Symphonieorchester am 19. Juli 2019 mit Bruckner und Schönberg im Beethovensaal/STUTTGART
Leidenschaftliche Ausbrüche
Die versierte Pianistin Mari Kodama präsentierte zusammen mit dem Dirigenten Kent Nagano Arnold Schönbergs Klavierkonzert op. 42, wobei das achttaktige Thema des Eröffnungssatzes in reizvoller Weise hervorstach. Über weichen Akkordpassagen entfaltete sich ein freundlicher Ländler. Im Krebs der Umkehrung erfolgte die konsequent musizierte Weiterentwicklung. Mit rascher Konsequenz kam es dann zur Durchführung, wobei sich leidenschaftliche Ausbrüche und spielerische Passagen immer mehr behaupteten. Mari Kodama interpretierte dieses komplizierte Netzwerk spielerischer Passagen mit elektrisierender Klarheit und innerer Leuchtkraft. In immer machtvolleren Steigerungen ballte sich hier der Klang, dann stürzte alles in sich zusammen. Beim Scherzo kamen die Umbildungen des thematischen Stoffes ebenfalls in bemerkenswerter Weise zum Vorschein. Eine unruhig-schwelende Leidenschaft trieb das Geschehen voran. Die gesangvolle Orchestermelodie zeigte facettenreich eine weitere Umbildung des ersten Reihenmotivs. Mari Kodama machte magisch deutlich, wie sich das Klavier in seinem geheimnisvoll-pathetischen Selbstgespräch verlor und in wilde Bezirke des Grauens hinabtauchte. Wie in Trance wiederholte das Orchester dann das Adagio-Thema. Sehr schön interpretierte sie außerdem die schattenhaft leise Kadenz des Schlussrondos. Einzelphasen dieser Reihe wurden stilvoll zusammengezogen – und Kent Nagano erreichte mit seiner konzentrierten und durchdachten Interpretation zusammen mit Mari Kodama eine enorme klangliche Dichte. Die rhythmischen Antriebskräfte entzündeten sich in der machtvollen Coda. Mari Kodama spielte als Zugabe eine zündende Polka von Smetana. In raschen Tempi und manchmal zu schnellen Übergängen musizierte das SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Kent Nanago die Sinfonie Nr. 6 in A-Dur von Anton Bruckner, die der Meister selbst leider nie gehört hat. Gustav Mahler dirigerte das Werk erst drei Jahre nach Bruckners Tod in einer stark gekürzten Fassung mit den Wiener Philharmonikern. Der leise und hartnäckige Klopfrhythmus der Violinen ließ die Bässe anstimmen, strahlte in seiner versonnenen Ruhe bei dieser Wiedergabe erhabenen Glanz aus. Das innige zweite Thema schwang sich aus lastender Enge empor. Den markanten Hörnern folgten markige Trompetenklänge, die das machtvoll aufrauschende dritte Thema ankündigten. Die Coda stieg dann in sphärenhafter Weise empor. Da ließ Kent Nagano das SWR Symphonieorchester in erhabener Weise musizieren. Eine dunkel-satte Streichermelodie schmückte das weihevoll gespielte Adagio. Die Intensität des zweiten Streichergesanges erreichte einen hohen Ausdrucksgrad. Und auch die schmerzlich-ergebene Trauermarschweise in den Streichern zeigte bei dieser Interpretation ausdrucksvolle Farben. „Sommernachtstraum“-Spuk beherrschte das kunstvoll gespielte Scherzo, wobei die Elemente immer wieder mit Urkraft losbrachen. Hörnerfanfaren beschworen das Naturtreiben ausdrucksstark. Das Hauptthema der fünften Sinfonie erklang ganz entfernt wie ein Signal. Nach diesem bewegenden Traumspuk überraschte das Finale mit einem weit ausholenden Geigenthema. Fanfaren antworteten hier kühn, in Oboen und Klarinetten wurden Erinnerungen an das dritte Thema geweckt. In der Coda erfolgten in choralhaften Fanfaren feurige Lichtkaskaden. In Posaunenpracht zeigte sich das Hauptthema des ersten Satzes.
Herzlicher Schlussapplaus, „Bravo“-Rufe. Dieser oft kritisierte Finalsatz erreichte mit seinen Wagner-Anklängen hier eine bemerkenswerte formale Präzision.
Alexander Walther