SWR Symphonieorchester unter Omer Meir Wellber: Debussy, Zimmermann, Schubert LYRISCHE ARABESKEN. 1.12.2017
Konzert des SWR Symphonieorchesters mit Debussy, Zimmermann, Schubert am 1. Dezember 2017 in der Liederhalle/STUTTGART
Überragende Interpretationen der Orchesterwerke Claude Debussys bot das ausgezeichnet disponierte SWR Symphonieorchester unter der feinnervigen Leitung von Omer Meir Wellber, eines israelischen Dirigenten. Gleich bei „Prelude a l’apres midi d’un faune“ blühte die harmonische Vielfalt bei dieser Fantasie für großes Orchester in einfühlsamer Weise auf. Dichterische Atmosphäre stellte sich hier ein, deren große Intensität immer mehr zunahm. Erregend und verzaubernd machte sich der Einfluss Wagners bei den lyrischen Arabesken bemerkbar, wobei die seltsam flimmernden Umrisslinien in hervorragender Weise herausgearbeitet wurden. Thomas Mann sprach hier von „Liederlichkeit mit bestem Gewissen“ – und das SWR Symphonieorchester musizierte unter Wellber mit geradezu sphärenhafter Durchsichtigkeit. Wie hinter tausend Schleiern schwebte die traumhafte Vision im Mittagslicht auf. Der verliebte Faun spielte hier in betörender Weise mit weichen Nymphen. Sinnlich strömende Melodien antworteten dem Faun. Sie wanderten in geheimnisvoller Weise von den Holzbläsern zu den Streichern, kicherndes Aufschrecken mündete in den Liebesruf des Fauns. Bukolische Farben der Holzbläser beschworen hier erregende Sinnlichkeit. „Spiele“ („Jeux„) von Claude Debussy wurden 1912 für Nijinsky geschrieben. In der Wiedergabe durch das glanzvolle SWR Symphonieorchester unter Omer Meir Wellbers Leitung glänzte die lichte Partitur Debussys in den leuchtendsten Farben. Das vielfach abgewandelte Hauptthema kehrte in reizvoller Weise rondohaft wieder. Beschwingte und dürftige Klangfarben berauschten in grandioser Weise die Ohren. Beschwingte Linien behaupteten sich wie von selbst, gaben die Richtung vor, selbst die zarteste Schwebung des Gefühls kam nicht zu kurz. Wellber ging als Dirigent ganz in dieser Musik auf, die erlesen schimmernde Klangtönung offenbarte alle geheimen Details. Das facettenreiche Spiel der Motive korrespondierte mit dem schmiegsamen Rhythmus. Auch die elegante Grazie eines Walzers stach hervor.
Dazwischen waren „Dialoge“ als Konzert für 2 Klaviere und großes Orchester von Bernd Alois Zimmermann mit dem Bugallo-Williams Piano Duo sowie dem SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Omer Meir Wellber zu hören. Komplexe Satzschichtungen, kammermusikalische Präsenz und Transparenz, eruptive Ausbrüche und zarte Lineaturen verblüfften die Hörer. Amy Williams und Helena Bugallo arbeiteten die Zitate des Pfingsthymnus‘ „Veni creator spiritus“ ebenso präzis heraus wie Mozarts Klavierkonzert in C-Dur KV 467, Takte aus Olivier Messiaens „Allelujas sereins“ aus dem Orgelzyklus „L’Ascension“ und Ludwig van Beethovens „Hammerklavier-Sonate“. Serielle Anklänge an Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ waren ebenfalls deutlich herauszuhören, denn dieses Werk ist kurz danach entstanden. Jedes Orchestermitglied hat hier solistische Aufgaben, die Klaviere dominieren nicht.
Das SWR Symphonieorchester unter Wellber musizierte mit großer Durchsichtigkeit. Im Sinne von raffinierten Interventionen entstand ein lebhafter Dialog zwischen den Klavieren und dem Orchester. Diese Collage aus verschiedenen Musikstilen hinterließ einen starken Eindruck, weil die Interpreten mit äusserster Konzentration agierten. Zum Abschluss bot das SWR Symphonieorchester unter Omer Meir Wellber eine exzellente Wiedergabe der Sinfonie Nr. 3 in D-Dur D 200 von Franz Schubert. Gleich die mehr an Beethoven als an Haydn gemahnende Adagio-Einleitung faszinierte das Publikum. Der erste Satz entwickelte sich so aus einem Klarinettenthema zart und doch voller Energie. Den heiteren Grundton traf Wellber dann beim zweiten Allegretto-Satz mit melodiösen Figurationen. Der Scherzo-Charakter des Menuetts riss die Hörer weiter mit, abwechslungsreich war das Ländler-Idyll des Trios. Das rasant-ausgelassene Thema im Finale mit seinem ausgeprägten Tarantella-Rhythmus offenbarte eine geradezu atemlose Spannung, die immer mehr zunahm. Diese harmonischen Gewagtheiten eines erst Achtzehnjährigen entfachten Begeisterungsstürme des Publikums.
Alexander Walther