SWR Symphonieorchester am 9. Mai 2019 mit Janine Jansen im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART
MIT FEUER UND ESPRIT
Zunächst überzeugte Christoph Eschenbach als Dirigent bei der „Freischütz“-Ouvertüre von Carl Maria von Weber, wo aus zartem Pianissimo die gefühlvollen Akkorde der Hörner emporsteigen. Das leidenschaftlich bewegte Allegro wirkte dann elektrisierend. Nach wilder Erregung ertönte ein strahlender Hornakkord. Und über dem Tremolo der Streicher erhob die Klarinette geradezu sphärenhaft ihre Stimme. Der sensible Gesang des zweiten Themas prägte sich hier tief ein. Und im Durchführungsteil setzten sich die dunklen Mächte wieder bedrohlich durch. Drohend und unheimlich erklangen die Posaunen. Überwältigend wirkte zuletzt der Schlussjubel. Eine große Überraschung war dann die hervorragende Geigerin Janine Jansen beim Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 von Jean Sibelius, wo das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester bestens funktionierte. Der romantische Impetus dieses Werkes wurde hier voll ausgekostet. Insbesondere der rhapsodische Kadenzenreichtum stach voll hervor. Das Allegro moderato gefiel durch sein charakteristisches Hauptthema. Auch das lyrische zweite Thema konnte sich bei dieser Wiedergabe sehr gut entfalten. Und auch das dritte Thema im Orchester gewann dank Christoph Eschenbachs konzentriertem Dirigat klares Profil. Bei der frei entwickelten Durchführung trat der romantische Gefühlsausdruck klar und deutlich hervor. Insbesondere die rhapsodische Fortspinnung gelang der Solistin Janine Jansen vorzüglich. Virtuos und wirkungsvoll war der kadenzreiche Solopart. Die elegische Wärme bestach bei dieser durchdachten Interpretation besonders. Beim rondoartigen Allegro-Finale gingen Solistin, Dirigent und Orchester nochmals ganz aus sich heraus und überzeugten durch ihr mireissend-ekstatisches Zusammenspiel. Als Zugabe spielte Janine Jansen noch sehr gefühlvoll ein Stück von Johann Sebastian Bach.
Zum Abschluss erklang dann in einer atemlos-wilden und feinnervigen Wiedergabe die Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorak. Hier konnte das SWR Symphonieorchester unter Christoph Eschenbach seine besonderen Vorzüge noch einmal unter Beweis stellen. Dieses Werk schrieb Dvorak während seines Aufenthalts in Amerika im Jahre 1893. Die Anklänge an Negro-Spirituals und indianische Melodien ragten dabei in ausgezeichneter Weise hervor. An Beethovens Sonatenschema erinnerte das Hauptthema des ersten Satzes nach der spannungsreichen Adagioeinleitung. In Polka-Form meldeten sich die Klarinetten. Fortspinnungen und Umspielungen kennzeichneten dabei den Gruß der Heimat. Im zweiten Thema schwelgten Flöten und Oboen, wobei slawische Wehmut nicht zu kurz kam. Im dritten Thema setzten sich energischere Töne durch. Durchführung, Reprise und Coda ließen das sieghafte Hauptthema zuletzt hell aufleuchten. Christoph Eschenbach gewann auch dem zweiten Largo-Satz einen unvergesslichen Stimmungszauber ab. Die sehnsüchtige Flötenmelodie des Mittelteils erreichte eine ungeahnte Intensität. Auch der Widerhall des Negro-Spirituals mit den sich emporreckenden Posaunen beschwor ein fremdartig schillerndes Tonbild. Die Melodie des Englisch-Horns besaß klare Konturen. Robust wirkte bei Eschenbach das Scherzo mit seiner rhyfthmisch spitzen Melodie, wobei das tänzerische Aufstampfen nicht zu kurz kam. Insbesondere das dreiklangfrohe Holzbläserthema der Trio-Episode erreichte eine ungeahnte Intensität. Und in der Coda überließ das Scherzo-Motiv dem Hauptthema des ersten Satzes das Feld. Leidenschaftlich erregt kam zuletzt das Finale daher, wo Christoph Eschenbach mit dem SWR Symphonieorchester noch einmal mächtig auftrumpfte. Ein markig-trompetenfreudies Hauptthema gemahnte an das Pathos von Tschaikowsky. Und in den Klarinetten blitzte eindrucksvoll eine wunderbare böhmische Heimatmelodie als zweites Thema auf. Melodien aller vier Sätze erstrahlten dann in der Durchführung und endeten in einer emotional ergreifenden Stretta.
Alexander Walther