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STUTTGART/ Liederhalle: Stuttgarter Philharmoniker unter Chloe Dufresne. Brillanter Ausdruckszauber

24.10.2025 | Konzert/Liederabende

Stuttgarter Philharmoniker unter Chloe Dufresne am 23.10.2025 in der Liederhalle/STUTTGART

Brillanter Ausdruckszauber

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Chloe Dufresne. Foto: Michal Nowak

Den Konzertsaal hat die symphonische Dichtung „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ von Modest Mussorgsky schon lange erobert. Unter der inspirierenden Leitung von Chloe Dufresne wurde das neue Programm „Slawische Zeitgenossen“ der Stuttgarter Philharmoniker facettenreich eröffnet. Diese Tondichtung ist angeblich durch Franz Liszts „Totentanz“ angeregt worden. Die „russische Walpurgisnacht“ ist in genialer Weise in „unerhörte“ Klänge übertragen worden. Wie ein Elementarereignis brach diese fantastische Höllenmusik auch im vollbesetzten Beethovensaal über den Hörer herein – grausig und idyllisch zugleich. Die tönende und kontrapunktisch raffinierte Bilderfolge wirkte wie ein Orkan! Urenergie und Naturkraft behaupteten sich beim unterirdischen Lärm von Geisterstimmen, dem Erscheinen von Geistern der Finsternis, der Anbetung Satans sowie der Beschwörung von Höllenmesse und Hexensabbat mit ungeheurer Ausdruckskraft. Von fern her ertönte gespenstisch das Glöckchen der Dorfkirche, bei deren Klang sich die Geister geheimnisvoll zerstreuten.

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Tsotne Zedginidze. Copyright: Askonas Holt

Der junge Pianist  Tsotne Zedginidze gilt als phänomenaler Musiker und Jahrhunderttalent. Davon konnte man sich bei seiner mitreissenden Wiedergabe des Klavierkonzerts Nr. 1 in b-Moll op. 23 von Peter Tschaikowsky überzeugen. Sogleich die majestätische Einleitung wurde hier zusammen mit den Stuttgarter Philharmonikern unter Chloe Dufresne sehr gut getroffen. Wuchtig von Klavier-Akkorden überhöht, mündete diese Eröffnung in das bei aller Kraft spielerische erste Thema, während das zweite Thema an Schumanns Innigkeit gemahnte. Mit virtuosem Glanz und elementarem Schwung nutzten Solist und Orchester dieses Material für den reich ausgestalteten Satz, in dem trotz aller Leidenschaftlichkeit das lyrische Element vorherrschte. Wie eine mondäne Elegie sang das Andantino semplice  seine slawisch umschattete Melodie und beschwor in dem sehr beschwingten Mittelteil reizvolle Klavierarabesken zu schwungvollen Walzerklängen. Grandios gestaltete Tsotne Zedgenidze das Finale, Allegro con fuoco, wo die betont russischen Themen hervorleuchteten. Während das erste mit wilder Freude seine eigensinnigen Melodien ausspielte, überzeugte das zweite Thema mit seiner leuchtkräftigen Melodie. Virtuose Kapriolen führten gezielt zu einem brillanten Schlussfeuerwerk!

Zuletzt boten die Stuttgarter Philharmoniker unter Chloe Dufresne noch eine forsche und rasant-mitreissende Wiedergabe der Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorak, die er im Jahre 1893 während seines Aufenthaltes in Amerika schrieb. Negro-Spirituals und indianische Melodien konnten sich bei dieser sensiblen Wiedergabe gut entfalten. Beethovens Sonatenschema schimmerte beim naturfrisch musizierten Hauptthema des ersten Allegro-molto-Satzes facettenreich hervor. Dem Vordersatz der Hörner ließen die Klarinetten wie eine spritzige böhmische Polka den Nachsatz folgen, der sogar an Schubert erinnerte. Dreimal meldete sich der Gruß der Heimat mit munteren Fortspinnungen und Umspielungen, dann stimmten Flöten und Oboen in bewegender Weise das zweite Thema an. Die amerikanische Herkunft dieser Melodie wurde in der mitschwingenden slawischen Wehmut und träumerischen Monotonie fast verwischt. Frohere und energischere Töne schlug dagegen das dritte Thema an, das erfrischend in der Flöte erklang. Durchführung, Reprise und Coda wirkten hier ausgesprochen sieghaft.  Sehr schön wurde bei dieser Wiedergabe auch der zweite Largo-Satz musiziert, wo die schwermütige Legende der indianischen Prärie hervorstach. Die bekannte Hauptmelodie erstrahlte in unvergesslichem Stimmungszauber. Auch der melancholische Ton des Englisch-Horns ging nicht unter. Sehnsüchtig war die Flötenmelodie, an der Steigerung beteiligte sich geheimnisvoll der Widerhalle eines Negro-Spirituals. Sehr robust begann das Scherzo, Molto vivace, wo sich die rhythmisch spritzige Melodie in fesselnder Weise behauptete. Das wilde Stampfen eines Tanzes fiel besonders packend auf. Und das dreiklangfrohe Holzbläserthema der Trio-Episode war eine Huldigung an Schubert – und in der atemlosen Coda überließ das Scherzo-Motiv dem Hauptthema des ersten Satzes fast ganz das Feld. Nach einer leidenschaftlich erregten Einleitung meldete sich im Finale, Allegro con fuoco, das markig-trompetenfreudige Hauptthema, das an Tschaikowsky erinnerte. Die böhmische Heimatmelodie des zweiten Themas prägte sich besonders tief ein. Melodien aller vier Sätze blitzten bei der Durchführung als Stimmen der Heimat in überwältigender Weise auf.

Begeisterter Schlussapplaus! 

Alexander Walther 

 

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