Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/Liederhalle: Stuttgarter Philharmoniker mit Weill, Poulenc und Mozart

02.03.2025 | Konzert/Liederabende

Stuttgarter Philharmoniker mit Weill, Poulenc und Mozart am 1. März 2025 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Starke Kontraste

ys
Erina Yashima. Foto: Todd Rosenberg

Es war ein weiterer Höhepunkt der Reihe „Zwanziger Jahre II“. Eine ungewöhnliche Erfahrung machte man mit der recht unbekannten Sinfonie Nr. 1 in einem Satz „Berliner Sinfonie“ aus dem Jahre 1921 von Kurt Weill, die er als 21jähriger Student schrieb. Erina Yashima dirigierte dieses Werk mit Präzision und großer Emphase, wobei ihr die Stuttgarter Philharmoniker minuziös folgten. Die „Form der Empfindung“ löst sich hier auf – und eine „junge Klassizität“ folgt. Der Komponist schrieb über die Partitur: „Inspiriert von Johannes R. Bechers Festspiel ‚Arbeiter Bauern Soldaten. Der Aufbruch eines Volks zu Gott'“. Dieses Drama des Dichters und späteren Kulturpolitikers der DDR feiert die Revolution als Ausweg hin zu Gott. Bechers expressionistische Sprache findet hier ihre packende Entsprechung  in Weills ebenfalls expressionistisch dissonanter Sinfonie. Dynamische Kontraste wie wuchtige Einsätze oder zarte Sequenzen wurden minuziös ausgekostet.  Formale Orientierung brachten auch die zahlreichen Wiederholungen, die bei dieser konzentrierten Wiedergabe aber nie monoton wirkten. Spannend gestaltet wurde vor allem die Fugenentwicklung, wobei die Sinfonie eigentlich zuversichtlich endete. Melodisch und rhythmisch ragten die Themen und Motive gleichermaßen faszinierend empor. Der in Stuttgart als Organist der Stiftskirche berühmt gewordene Kay Johannsen war anschließend der eindrucksvolle Solist bei Francis Poulencs Konzert für Orgel, Streichorchester und Pauke aus dem Jahre 1938. Dieses Werk fasziniert durch knappe formale Grundrisse, ein diatonisches Satzbild und ironisch gefärbte „falsche Noten“, wobei der Einfluss von Strawinskys neoklassizistischen Manierismen bei dieser konzentrierten Wiedergabe deutlich hervortrat.  Bei den sakralen Passagen betonte Kay Johannsen zusammen mit den einfühlsam musizierenden Stuttgarter Philharmonikern unter Erina Yashima die Einflüsse der niederländischen Vokalpolyphonie der Renaissance ganz ausgezeichnet. Die Nähe zur zeremoniellen höfischen Barockmusik konnte man ebenfalls heraushören. Der langsame Walzer und die Drehorgelklänge machten sich nuancenreich bemerkbar. Zum Abschluss musizierten die Stuttgarter Philharmoniker unter Erina Yashima die Sinfonie Nr. 41 in C-Dur KV 551 „Jupiter-Sinfonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart mit großem Elan und Temperament. Klarheit und Ausgewogenheit des Satzbildes dominierten bei dieser gelungenen Interpretation, die vor allem aufgrund ihrer Atemlosigkeit immer wieder überraschte. Ein kraftvoll gestaltetes heroisches Thema eröffnete diese Sinfonie, das sich schmiegsam fortsetzte. Festlich und selbstgewiss stand dieses strahlende Thema da – und veränderte seine Stimmung schon bei der ersten Wiederholung.  Sehr innig spielten die Stuttgarter Philharmoniker dann das zweite Thema mit einem gewissen ironischen Unterton. Schnell verbündete es sich mit dem empfindsamen Teil des ersten Themas. Über eine unvermutete Hürde von c-Moll stemmten sich hier ungeheure Energien nach Dur empor! Zum Abschluss der Exposition bahnte sich das zweite Gesangsthema den Weg zum Kopfthema zurück. Im Ausgleich der Kräfte und Stimmungen wirkte das Andante cantabile nicht weniger vollkommen. Wie es seine drei Themen aneinanderreihte, wie es lyrische Intensität mit fast dramatischem Ernst konfrontierte und endlich in träumerischer Stille versank – das war bei dieser Interpretation von Erina Yashima und den Stuttgarter Philharmonikern wirklich bemerkenswert. Ruhig und gelöst setzte das Menuett ein. Das Schmerzsymbol des chromatischen Quartfalls ragte deutlich hervor. Das Molto Allegro des überaus stürmisch musizierten Finales geriet hier wirklich zum Höhepunkt dieser Sinfonie. Wie genial Mozart diesen kunstvollen Sonatensatz immer wieder durch fugierte Teile ausweitete, machte Erina Yashima als Dirigentin hervorragend deutlich. Und Mozart koppelte das Kopfthema sogleich bei der Wiederholung mit der Reminiszenz an den ersten Satz. Eine knappe Fugato-Episode zeigte vor Eintritt des zweiten Themas seine Reize. Zahlreiche kontrapunktische Verästelungen faszinierten hier die Zuhörer – und die großartige Coda türmte dabei die drei Themen des Satzes in grandioser Weise übereinander! Zum Schluss begeisterter Applaus für Erina Yashima, die bis 2024 Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper Berlin war. 

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken