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STUTTGART/Liederhalle: STAATSORCHESTER STUTTGART/ Marek Janowski – vitales böhmisches Musikantentum

24.10.2021 | Konzert/Liederabende

Staatsorchester Stuttgart unter Marek Janowski am 24.10.2021 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Vitales böhmisches Musikantentum

Der in Warschau geborene Dirigent Marek Janowski stellte mit dem Staatsorchester Stuttgart Antonin Dvoraks erfrischendes böhmisches Musikantentum heraus. Dies zeigte sich bereits bei der Konzertouvertüre op. 93 „Othello“, die Dvorak nach der Tragödie von William Shakespeare schrieb. Denn auch hier spielt ein Naturmotiv eine tragende Rolle, das mit einem Thema der Eifersucht facettenreich verwoben wird. Die düstere fis-Moll-Tonart arbeitete Janowski sehr gut heraus, dramatische dynamische Steigerungen folgten. Das Eifersuchtsthema wurde von einem scharfen Septakkord dominiert, der im Gedächtnis blieb. Dieses bewegende Thema gipfelte dann in Hörnern, Pauken und Streichern. Und man konnte den Mord des schwarzen Tribuns an seiner Frau  in packender Weise nachvollziehen.

Die ausgezeichnete georgisch-türkische Geigerin Veriko Tchumburidze stand dann im Mittelpunkt des Violinkonzerts in a-Moll op. 53 von Antonin Dvorak. Sie gewann 2016 den renommierten Internationalen Henryk Wieniawski Wettbewerb in Polen. Überaus temperamentvoll wurden hier solistische Bravour mit slawischen Klängen und schöner Melodienfülle vereint. Außerdem spürte man gleich zu Beginn die packende Harmonik Beethovens. Stimmungsgegensätze traten im ersten Satz Allegro ma non troppo in reizvoller Weise hervor. Schier unerschöpflich strömten die Rhythmen und Melodien vorbei  – und die knappe Improvisation  mündete nuancenreich in das Adagio ma non troppo. Bei diesem zweiten Satz fesselten vor allem die von der Violine mit großer Innigkeit herausgestellten böhmischen Volksweisen, deren bewegenden Charakter Veriko Tchumburidze mit großer Sensibilität betonte. Im langsamen Satz kam es auch zu einer überaus poetischen Zwiesprache von Sologeige und Horn. Ausgelassene slawische Tänze standen im Mittelpunkt des Rondo-Finales (Allegro giocoso ma non troppo). Furiant und Dumka ergänzten sich dabei mitreissend. Es war eine hervorragende Leistung dieser vielversprechenden jungen Geigerin, die vor allem das melodisch-thematische Figurenwerk herausarbeitete. Der Reichtum der Einfälle ist bei Dvoraks im Jahre 1889 entstandener Sinfonie Nr. 8 in G-Dur op. 88 wirklich bemerkenswert. Sie trägt ihren Beinamen „die Englische“ deswegen, weil sie in England verlegt wurde. Das Staatsorchester Stuttgart betonte unter Marek Janowski überwältigend Melodien, Temperament, Stimmungen und gegensätzliche Klangschönheiten. Ein balladenhafter Grundzug wurde von Janowski nicht verleugnet. Aber auch hier triumphierten wieder die böhmischen Weisen, die in ein unaufhörliches Strömen gerieten. Die Melancholie des Adagio mit seiner eigenartig-stimmungsvollen Schönheit wurde dann in ausgezeichneter Weise getroffen. Ein rhapsodischer Grundzug behauptete sich berührend. Tanzfrohes Nationaltemperament setzte sich schließlich in glanzvollen Fanfaren in triumphierender Weise durch. Gleichzeitig musizierte das Staatsorchester hier immer dezent, transparent, nie aufdringlich und luftig-leicht. Aber es blieb auch Platz für gewaltige akustische Höhepunkte.  Und die Variationen im Finale endeten in einer turbulenten Stretta, die auf die majestätische Coda folgte. „Bravo“-Rufe, starker Schlussapplaus.

Alexander Walther

 

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