- Kammerkonzert „Britisch Phantasies“ im Mozartsaal der Liederhalle Stuttgart am 27.4.2017
MIT EMOTION UND FEUER
Musik aus Großbritannien wird bei uns immer noch unterschätzt. Dass dies zu Unrecht geschieht, machte jetzt das 6. Kammerkonzert „British Phantasies“ im Mozartsaal deutlich. Gleich zu Beginn spielten Beatrix Meyer-Bode (Flöte), Katrin Stüble (Oboe), Stefanie Faber (Klarinette) und Sebastian Mangold (Fagott) das Quinett für Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott „A Simple Serenade“ von Gordon Jacob mit höfischen und serenadenhaften Anklängen. Auch eine Hommage an den Glockenklang des berühmten „Big Ben“ war hier deutlich herauszuhören. Marschartige Rhythmen und impulsive „Fanfaren“ setzten sich hier konsequent durch.
Bei der fulminant interpretierten „Phantasy“ von Benjamin Britten gingen Katrin Stüble (Oboe), Holger Koch (Violine), Madeleine Przybyl (Viola) und Jan Pas (Violoncello) ganz aus sich heraus, die Affinität zur englischen Musik der Renaissance stach dabei deutlich hervor. Naturhaftes und Leidenschaftliches belebte dabei sehr konsequent die harmonische Entwicklung, ein geheimnisvolles Flimmern beherrschte auch die weitgespannten Intervalle der Oboen-Melodielinien.
Der britische Tenor Stuart Jackson intepretierte dann zusammen mit Reimer Kühn (Horn) und Alan Hamilton (Klavier) „Canticle III“ („Still falls the rain“) von Benjamin Britten voll emotionaler Ausdruckskraft und reifem Timbre. Das vertonte Gedicht von Edith Sitwell bittet hier den gekreuzigten Christus um Gnade. Freie und klagende Rezitative gestaltete Stuart Jackson hier mit Intensität und klarer Intonation. Diese erschütternden Reminiszenzen an den Zweiten Weltkrieg führten zu harmonisch bewegender Zwei- und Dreistimmigkeit.
Eine Entdeckung waren zudem „Three Idylls“ für Streichquartett von Frank Bridge mit Muriel Bardon (Violine), Marion Schäfer (Violine), Robin Porta (Viola) und Doris Erdmann (Violoncello). Anklänge an die späten Streichquartette Beethovens und Richard Wagner wirkten in geheimnisvoller Weise nach. Ebenso eindrucksvoll gestalteten Elena Graf (Violine), Holger Koch (Violine), Madeleine Przybyl (Viola) und Jan Pas (Violoncello) Benjamin Brittens „Three Divertimenti“ für Streichquartett. Die Einflüsse Strawinskis, Mahlers, Schönbergs und dem Impressionismus traten bei dieser Wiedergabe deutlich hervor. Eine moderne Tonsprache paarte sich dabei mit mehrtönigen Akkorden. Walzer-Rhythmen, Rubato-Akzente und Flageolett-Momente vereinigten sich zum betörenden Klangkosmos.
Eine Überraschung war ferner „On Wenlock Edge“ für Tenor, Streichquartett und Klavier von Ralph Vaughan Williams mit Stuart Jackson (Tenor), Muriel Bardon (Violine), Marion Schäfer (Violine), Robin Porta (Viola), Doris Erdmann (Violoncello) und Alan Hamilton (Klavier). Einflüsse Ravels machten sich bei dieser Komposition nach Gedichten von Alfred Edward Housman bemerkbar. Farbige Harmonik und atmosphärische Klanglichkeit entwickelten sich dabei wie von selbst und führten zu einer sphärenhaften Schwerelosigkeit des Musizierens. Die leidenschaftlichen Melodielinien gipfelten in einem eindringlichen akustischen Höhepunkt, bei dem Stuart Jackson ganz aus sich herausging. Zum Abschluss erklangen noch „Three Shanties“ von Malcolm Arnold mit folkloristischer Grandezza und klanglicher Durchsichtigkeit. Beatrix Meyer-Bode (Flöte), Katrin Stüble (Oboe), Stefanie Faber (Klarinette), Christina Kloft (Horn) und Sebastian Mangold (Fagott) zeigten als Bläserquintett spieltechnische Reife.
Alexander Walther