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STUTTGART/Liederhalle: „MAHLERS ACHTE SYMPHONIE“ – ein weltumfassendes Ereignis

15.07.2025 | Konzert/Liederabende

Stuttgart: „MAHLERS ACHTE SYMPHONIE“ 14.7.2025 (Liederhalle) – ein weltumfassendes Ereignis

mar
Cornelius Meister. Foto: Sebastian Mare

Normalerweise ist der 2000 Zuschauer fassende Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle nur in seltenen Fällen, wenn ganz besonders renommierte Künstler angesagt sind, ausverkauft. Diese sogenannten Stars waren bei diesem letzten Symphoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in dieser Saison nicht aufgeboten, und dennoch gab es schon einige Wochen davor keine Karten mehr für die beiden Aufführungen von Gustav Mahlers Achter Symphonie. Ein Zeichen, welch in Anbetracht des Aufwandes und der Anforderungen seltene Gelegenheit es ist, dieses Ausnahmewerk zu erleben, aber auch ein Beweis, welches Renommee sich GMD Cornelius Meister nicht nur als Opern- sondern auch als Konzertdirigent erworben und ob seiner stupenden Musikalität vielfach Bewunderung hervor gerufen hat. Somit war er ein Star dieser Konzerte, aber ganz im Dienst des eigentlichen Stars Gustav Mahler. Dieser sagte einst, dass diese Symphonie wie die Welt sein und demzufolge alles umfassen muss. Diesem Anspruch ist er,auch gut hundert Jahre nach der als Welt-Sensation gefeierten Uraufführung in München, von heute aus betrachtet in höchstem Maß gerecht geworden. Es ist unfassbar, was hier in der zunächst divergierenden Kombination des mittelalterlichen lateinischen Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“ mit der viele Jahrhunderte späteren, deutschen Faust-Tragödie (konkret der Schlussszene des zweiten Teils) doch verbindend und sinnstiftend in Töne gegossen ist, wie sich Stimmen und Instrumente in einer großsymphonischen, verschiedene Musikepochen aufgreifenden Form vereinen und den Ausführenden das Äußerste an Subtilität, Kraft und Kondition abverlangt wird, Und dann vor allem, vom Pult aus Übersicht, Struktur und Zusammenhalt zu gewährleisten, das große Ganze nicht auseinander fallen, und dennoch den vielen kleinen Details Aufmerksamkeit zu schenken, die riesige dynamische Klammer spannungsreich einzusetzen.

Gerade die Nuancen im zweiten Teil sind es, seltene Klangabmischungen von ungewöhnlichen Instrumenten wie z.B. tremolierende Streicherpassagen im reinen Orchestervorspiel oder die Kombination weniger Bläser mit einer Solo-Violine, die zwischen den brausenden Tutti-Abschnitten für Innehalten und die Spürbarkeit auch eines zarten göttlichen Funken sorgen. Der Monumentalität des ersten Abschnitts mit seiner geschlossenen Klanggewalt aller Beteiligten stehen im zweiten fast lied- oder arienhafte Passagen mit den nacheinander eingesetzten Solostimmen gegenüber, ehe im Finale im Hymnus auf das Ewig-Weibliche das ganze Universum zu tönen beginnt, wie es Mahler selbst beschrieben hat. Das geht über das Menschliche hinaus ins unermessliche Planeten- und Sonnensystem.

Dieser Aufgabe waren alle Beteiligten bewundernswert gewachsen: Ricarda Merbeth ( Magna Peccatrix) mit einer bei aller dramatischen Intensität schlank und ohne Schärfen eingesetzten Stimme, Simone Schneider (Una Poenitentium) mit leuchtender Überglänzung des Ensembles, Natasha Te RupeWilson (Mater gloriosa), die ihren lyrisch klaren Sopran von der höchsten Seitenloge durch den Raum schweben ließ, Tanja Ariane Baumgartner (Mulier Samaritana) mit sämig rundem Mezzosopran, Maria Theresa Ullrich (Maria Aegyptiaca) mit hell davon abgegrenzter Alternative; unter den männlichen Solisten vor allem Benjamin Bruns (Doctor Marianus), der mit subtil eingesetztem Tenor auch in unangenehmen Lagen nie zum Drücken oder Stemmen Zuflucht nehmen musste. Dazu die beiden tieferen Stimmvertreter, Johannes Kammlers (Pater ecstaticus) konzentriert auf Linie geführter Bariton und David Steffens (Pater Profundus) im Timbre zunehmend gesetzterer und erdiger Bass.

Wo sich sonst mindestens zwei oder drei Chöre zusammen tun (ganz zu schweigen von den mehreren Hundert Mitwirkenden bei der Uraufführung), um Mahlers riesiger Klangfülle gerecht zu werden, stellte sich der Staatsopernchor Stuttgart (von Manuel Pujol optimal vorbereitet) mit dem Kinderchor der Staatsoper (Einstudierung: Bernhard Moncado) alleine dieser wohl mit am monumentalsten Herausforderung der Musikgeschichte. Ob homophon oder polyphon eingesetzt, ob im pianissimo oder extremen Forte – die Damen und Herren boten alles an Strahlkraft, tonlicher Rundung und Durchsetzungsvermögen auf und waren in allen Lagen präsent und geschlossen im Einsatz. Eine Wohltat, diese Vereinigung mal außerhalb der Bühne frei von spielerischen Aktionen frontal ins Publikum gerichtet zu erleben.

Und nicht zuletzt war es das mit 120 Musikern inklusive Fernbläsern so gut wie komplett angetretene Staatsorchester Stuttgart, das unter Cornelius Meisters stupender Führung und Steuerung auf breiter Basis quer durch die Instrumentengruppen Exzeptionelles hören ließ, dafür einzelne „Vorhänge“ bekam und wie auch das gesamte Ensemble mit Ovationen überschüttet wurde.

Eine weitere Steigerung ist nicht mehr möglich, dennoch wird die Aufführung von gleich drei Mahler-Symphonien (Nr.1, Nr. 6 und Nr.9) ein ebenbürtig überwältigendes Zeichen zum Abschied von GMD Cornelius Meister im nächsten Sommer setzen.

Udo Klebes

 

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