Bruckners achte Sinfonie beim 4. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters „Wie weit zu Gott?“ mit Marek Janowski am 21. Januar 2019 in der Liederhalle/STUTTGART
WESENLOSES DUNKEL
Anton Bruckners achte Sinfonie gilt als die längste Sinfonie der Musikgeschichte. Im Grunde genommen ist nur die zweite Fassung aus dem Jahre 1890 gültig. Er hatte nach der Ablehnung durch den Dirigenten Hermann Levi eine umfangreiche Bearbeitung des Werkes vorgenommen. Tiefe Streicher beschrieben das wesenlose Dunkel des Beginns – und das Hauptthema reckte sich zu drohender Pracht und Macht empor. Marek Janowksi zeigte sich bei der überwältigenden Wiedergabe von Bruckners monumentaler achter Sinfonie in c-Moll mit dem Staatsorchester Stuttgart von Anfang an als ein an Wagner geschulter Dirigent. Das zweite Thema beeindruckte hier mit schwungvollem Fünfer-Rhythmus. Dieser elektrisierende Rhythmus beherrschte dann auch das dritte Thema mit der Triolen-Begleitung. Der Kampf wilder Mächte mit kriegerischem Trompetengeschmetter sorgte für einen mächtigen harmonischen Aufruhr, den Janowski immer meht anheizte. Majestätische Aufschwünge konnten den gewaltigen orchestralen Absturz nicht verhindern. Die Oboe versuchte in der Reprise trist das Kopfthema für eine Wende zum Guten zu gewinnen, doch es gab keinen Ausweg aus der Düsternis. Das Staatsorchester verdeutlichte diese Passagen eindringlich. Das Scherzo mit seinem Motto vom „deutschen Michel“ imponierte dann mit erfrischendem Rhythmus und spieltechnischem Geschick. Der Rhythmus erwies sich hier als treibende Kraft. Diese draufgängerische Starrköpfigkeit arbeitete Janowski mit dem Staatsorchester Stuttgart sehr gut heraus. Dazwischen meldeten sich reizvolle Klangpoesien von Hörner und Harfe. Das Adagio beeindruckte die Hörer daraufhin mit geradezu meditativer Macht, die sich ständig intensivierte und klanglich verfeinerte.
Marek Janowski beschwor dabei andere Sphären. Der Gesang schwang sich auf wie auf mächtigen Engelsflügeln – das war wahrhaft ergreifend. Wogende Harfenklänge begleiteten den geheimnisvollen Tubenchoral. Ein hart klopfender Rhythmus beherrschte schließlich das gewaltige Finale. Die Blechbläser beschworen das majestätische Hauptthema mit enormer Kraftentfaltung. In Fortspinnungen, Nachsätzen und Fanfaren kamen so ungeheure Energien zusammen, die Janowski mit dem Staatsorchester immer mächtiger betonte. Der weiträumige Streichergesang des zweiten Themas wurde in hervorragender Weise getroffen. Das dritte Thema drängte hier deutlich zur Entscheidung. Ein Choral erflehte gleichsam den Beistand des Himmels. Das heilige Ringen beherrschte auch die Durchführung. Jäh drohten die Blechbläser mit dem Hauptthema aus dem ersten Satz – und die kontrapunktischen Satzkünste wollten nicht enden. Trompeten und Posaunen beschworen das Kopfthema des ersten Satzes als Stimme der Widersacher. In der unglaublichen Siegeshymne der Coda wurden die Hauptthemen aller vier Sätze in einer machtvollen Apotheose übereinandergetürmt. Marek Janowski entfaltete mit dem Staatsorchester Stuttgart hier ein gewaltiges Feuerwerk, dessen Dimensionen immer größer wurden.
Riesenjubel.
Alexander Walther