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STUTTGART/ Liederhalle/ Beethovensaal: 7. SINFONIEKONZERT DES STAATSORCHESTERS (Illes/ Martin/R. Strauss). Cornelius Meister

Subtile innere Prozesse

09.07.2019 | Konzert/Liederabende

Siebentes Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart am 8. Juli 2019 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Subtile innere Prozesse

 Von dem ungarischen Komponisten Marton Illes („Composer in Focus“ der Spielzeit 2018/19) war die Uraufführung „Viz-szin-ter – 3 Aquarelle“ zu hören, was so viel wie Wasserfarbenraum oder Wasserschauplatz bedeutet. Innere Prozesse und plastische Nervengeflechte stehen im Mittelpunkt dieser ungewöhnlichen Komposition, die Körper und Psyche des Menschen ebenso unter die Lupe nimmt. Das Verhältnis zu den Naturphänomenen steht so auch harmonisch im direkten Zentrum.

Unter der einfühlsamen Leitung von Cornelius Meister waren die organischen Linienverläufe immer nachvollziehbar – fließende Linien zogen sich hier wie Nervenbahnen durch den Körper, der auf die Wasserfluten heftig zu reagieren schien. Geschmeidige und bewegliche Tonfolgen lockerten die Strukturen gleichsam auf, das Staatsorchester Stuttgart reagierte hier höchst sensibel auf die ungewöhnlichen Gefühlsregungen in dieser komplexen Partitur des 1975 geborenen Komponisten. In seiner Werkreihe „Drei Aquarelle“ spielen Linienstrukturen eine große Rolle. Sie ziehen sich wie transparente Bahnen durch den Raum. Beim hervorragend musizierten Concerto für 7 Blasinstrumente, Pauken, Schlagzeug und Streichorchester aus dem Jahre 1949 von Frank Martin besaßen die Themen in der Wiedergabe des Staatsorchesters Stuttgart unter der Leitung von Cornelius Meister Kraft und Profil – und auch dunkelglühende Episoden waren herauszuhören. Formbewusstsein und Temperament triumphierten bei den einzelnen Passagen. Frank Martin wollte hier ganz bewusst die Virtuosität der Solobläser nachweisen. Nathanael Carre (Flöte), Ivan Danko (Oboe), Stefan Jank (Klarinette), Marianne Engelhardt (Fagott), Philipp Römer (Horn), Sebastian Berner (Trompete) und Christian Hammerer (Posaune) gestalteten ihre Passagen mit solistischer Raffinesse und viel Einfühlungsvermögen. Nach dem Motiv folgte der Dialog. Gegen Ende des Satzes trugen die Streicher eine intensive Melodie vor, die von der Tuba eingeführt worden war. Im zweiten Allegretto-Satz triumphierte der Zweierrhythmus des Schlagzeugs. Die lyrische Phase des Fagotts wurde dann sensibel von der Posaune aufgenommen. Der dritte Satz stellte die Gruppen dann frontal gegeneinander, was Cornelius Meister mit dem Staatsorchester Stuttgart mit vehementer Akribie vorantrieb. Der Marschrhythmus erfasste schließlich das gesamte Orchester in unmittelbarer Klarheit. Die Durchführung mit Flöte und Klarinette besaß elektrisierenden Zauber. Der Accelerando-Schluss war ebenso brillant.

Zum Abschluss musizierte das Staatsorchester Stuttgart unter Cornelius Meister die Tondichtung „Ein Heldenleben“ op. 40 aus dem Jahre 1898 von Richard Strauss, wo Cornelius Meister die leidenschaftlich-schwelgerischen Passagen mit glühender Emphase musizieren ließ. Unverblümt wird hier deutlich, dass natürlich Strauss der Held ist. Im Sinne wilhelminischer Selbstglorifizierung wird das Geschehen hier monumentalisiert, was Cornelius Meister stellenweise nicht ohne eine gewisse Ironie betonte. Die Parallelität zu Bruckners siebter Sinfonie wurde bei dieser konzentrierten Wiedergabe nicht verleugnet. Das Kopfthema war dabei nur eine von vielen motivischen Entsprechungen. Die „Widersacher“ wurden dann tatsächlich als hämische, kleinliche Nörgler, Neider und Ewig-Gestrige vorgestellt, auf deren Gekeif der Komponist mit Gelassenheit reagierte. Das Staatsorchester Stuttgart imponierte hier aufgrund seiner ausgeprägten Charakterisierungskunst. Jugendlich und tatenfroh wendete er sich dann seiner „Gefährtin“ zu, einer launischen und nicht ganz unkomplizierten Dame, der die exzellente Geigerin Elena Graf bewegendes Leben verlieh. Kriegerische Trompetensignale verkündeten „Des Helden Walstatt“ mit großer Vehemenz. In bajuwarischem Walzertakt ließ Meister Strauss als „bayerisches Urviech“ dabei seiner Instrumentationskunst freien Lauf, was Cornelius Meister überzeugend herausarbeitete. Kampflustig prallten die Themen aufeinander. Das Kraftbewusstsein des Helden war durch den Sieg nur gestärkt. Kunstvoll meldeten sich Selbstzitate vom „Traum durch die Dämmerung“ über „Don Juan“, Macbeth“, „Tod und Verklärung“, „Eulenspiegel“ und „Zarathustra“ bis hin zu „Don Quixote“. Weihevolle Größe machte sich beim Schlussabschnitt „Des Helden Weltflucht und Vollendung“ bemerkbar. Das Heldenthema im Englischhorn schien die Villa in Garmisch zu beschwören. Jubel und tosender Schlussapplaus.

 

Alexander Walther     

 

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