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STUTTGART/ Liederhalle: Antrittskonzert SWR-SINFONIEORCHESTER/ Francois-Xavier Roth

20.09.2025 | Konzert/Liederabende

SWR Symphonieorchester unter Francois-Xavier Roth im Beethovensaal der Liederhalle

Fulminante Beschreibung des Chaos

Antrittskonzert von Francois-Xavier Roth mit dem SWR Symphonieorchester am 19. September 2025 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Einen Einblick in das vielseitige Spektrum des Repertoires des SWR Symphonieorchesters vermittelte dieses Antrittskonzert unter der Leitung von Francois-Xavier Roth. In die Barockzeit versetzte die Zuhörer das erste Stück „Les Elemens, Symphonie Nouvelle“ von Jean-Fery Rebel. Dieses Werk beginnt völlig atonal und beschreibt damit das Toben der Elemente. Diese Schilderung des „Chaos“ war zur damaligen Zeit sicherlich eine Sensation! Formale Passagen wurden bei Loure, Chaconne, Ramage, Rossignols, Sicilienne oder Rondeau präzis herausgearbeitet – und auch die Vielschichtigkeit der Motive und Themen überzeugte das Publikum ungemein. Manches Detail erinnerte an Rameau. Mitglieder des SWR Vokalensembles gestalteten dann zusammen mit dem SWR Symphonieorchester unter Roth die kompakte Sinfonie für 8 Singstimmen und Orchester von Luciano Berio. Hier werden unter anderem das Scherzo aus Gustav Mahlers zweiter Sinfonie sowie „La Valse“ von Maurice Ravel facettenreich verarbeitet. Thematische Verästelungen und motivische Merkmale schimmerten immer wieder ausdrucksstark hervor. Akkorde und Melodien werden hier zu einer raffinierten Collage zusammengebunden, was das SWR Symphonieorchester auch präzis betonte. Das Stück ist der Erinnerung an Martin Luther King gewidmet, der einem Attentat zum Opfer fiel. Die durch Mikrophone verstärkten Stimmen des SWR Vokalensembles akzentuierten rhythmisiertes und freies Sprechen sowie Flüstern mit höchster Intensität und Konzentration. Zitate von Claude Debussy, Arnold Schönberg  und anderen verstärkten den Eindruck des Suggestiv-Irrealen bei den beiden Sätzen „O King“ und „In ruhig fließender Bewegung“. Zum Abschluss erklang die Sinfonie Nr. 8 in C-Dur D944 („Große“) von Franz Schubert. Sie entstand 1828 und wurde erst nach seinem Tode gefunden. Schumann entdeckte die Niederschrift zwischen verschiedenen Kompositionen im Nachlass, den der Bruder Ferdinand verwahrte. 1839 erklang sie zum ersten Mal im Leipziger Gewandhaus. Die langsame Einleitung des Andante im ersten Satz mit dem romantisch-naturnahen Thema der Hörner gewann rasch Kontur. Insbesondere das hallende Schlussecho als ausgeschriebenes Ritardando verfehlte hier seine Wirkung nicht. Da Roth züge Tempi wählte, trat die Innigkeit, Größe und Erregung des Themas leuchtkräftig hervor. Francois-Xavier Roth vermied als umsichtiger Dirigent übermäßige Melodik, stellte vielmehr das Schroffe und Ungestüme dieser Partitur heraus. Und auch wenn man sich manche Legato-Bögen der Streicher noch schwärmerischer und leidenschaftlicher gewünscht hätte, kamen Spannung und Energie dennoch nicht zu kurz. Im Allegro ma non troppo behauptete sich das erste Thema mit Vehemenz. In seinem mitreissenden, nahezu ritterlichen Schwung vereinte es nicht nur in den pulsierenden Holzbläsern tänzerisches und leidenschaftliches Feuer. Das zweite Thema strömte leuchtkräftig hervor, tänzelte in Oboen und Fagott daher. Das Labyrinth der Harmonien konnte sich unter Roths Dirigat überzeugend entfalten, wie eine Mahnung erklang das Vierton-Motiv der Posaunen. Durchführung und Coda waren von vorantreibender Energie geprägt. „Lieder ohne Worte“ ließ der zweite Satz Andante con moto erkennen, der an Beethovens siebte Sinfonie erinnerte. Die Melodie der Oboe wurde jedenfalls sehr innig und bewegend herausgearbeitet. Auch der berührende Dur-Nachgesang blieb im Gedächtnis. In den Holzbläsern tauchte dann eine Weise von zarter Sehnsucht auf. Der poltrige Rhythmus des Scherzos bewies  im lebendigen Dialog von Geigen und Celli seine besonderen Reize. Geradezu draufgängerisch erschien zuletzt das Finale Allegro vivace. Pulsierend-wogende Triolen der Geigen vereinigten sich mit schärferen thematischen Konturen der Holzbläser – wie aus geheimnisvoller Ferne lockte der Hornton das zweite Thema herbei. Und vor allem die „himmlisch“ ausgeweitete Coda gelang Francois-Xavier Roth mit dem SWR Symphonieorchester vorzüglich! Starker Schlussapplaus und „Bravo“-Rufe.

Die SWR-Programmdirektorin Kultur, Wissen und Junge Formate, Anke Mai, sprach zum Antrittskonzert Roths ein Grußwort. Darin hieß sie den neuen Chefdirigenten des SWR Symphonieorchesters herzlich willkommen. Im Vorfeld sei dieser Neuanfang immer wieder in Frage gestellt worden. Sie bezog sich dabei auf Vorwürfe gegen Roth, die aber mittlerweile offensichtlich ausgeräumt werden konnten. 

Alexander Walther   

 

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