Akademiekonzert der Bachakademie Stuttgart am 3.3.2018 mit Werken von Mendelssohn und Vaughan Williams in der Liederhalle/STUTTGART
EIN BLÜHENDES GESANGSTHEMA
Der ehemalige Stuttgarter Generalmusikdirektor Dennis Russell Davies war als Dirigent dieses vierten Akademiekonzerts nach Stuttgart zurückgekehrt. Mit dem SWR Symphonieorchester präsentierte er zunächst Felix Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“ op. 27 nach Gedichten von Goethe. Lastende Ruhe lag über der still wogenden Einleitung, bis sich beim Windhauch verheißungsvoll die Segel blähten in schwungvollem Allegro molto vivace. Ein auf und ab gleitendes Motiv gab deutlich die bewegungslose Ruhe in der Natur wieder. Auch die erstarrende Bewegung erfasste das SWR Symphonieorchester sehr überzeugend. In mächtigen Crescendo-Bögen wurde dann das freudige Hauptthema verkündet, das Dennis Russel Davies kraftvoll betonte. Aus dem kurzen Motiv entwickelte sich ein wahrhaft blühendes Gesangsthema, das nicht ausuferte. Und die gewaltige Coda besaß hier kraftvolle Signale und schmetternde Trompetensignale.
Die echt volkstümliche Note bei dem britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams unterstrich Dennis Russell Davies zusammen mit der vorzüglichen Gaechinger Cantorey, den feinnervigen Gesangssolisten Laura Aikin (Sopran) und Michael Nagy (Bariton) und dem sehr gut disponierten SWR Symphonieorchester ausgezeichnet. Uraufgeführt wurde die 1903 begonnene Komposition „A Sea Symphony“ im Jahre 1910. Parallelen zu Gustav Mahlers 8. Sinfonie tun sich automatisch auf, auch Mendelssohns „Lobgesang“-Sinfonie ist herauszuhören. Es handelt sich um eine Huldigung Englands als erfolgreiche Seefahrernation, die ja in der Ära Königin Elisabeth I. begann. Die Vorlagen sind der Gedichtsammlung „Leaves of Grass“ („Grashalme“) des amerikanischen Dichters Walt Whitman entnommen. Das Verlorensein in der unendlichen Weite des Kosmos wurde bei dieser hervorragenden Wiedergabe zwischen Tremolo-Passagen und Crescendo-Bewegungen bewusst herausgearbeitet. Sakrale Anklänge mit choralhaften und ekstatisch-hymnischen Passagen leuchteten mit ungeheurer Wucht hervor. Dem schnellen Sonatensatz folgt hier ein langsamer Satz, ein Scherzo und ein Finale. Der melodische Fluss der einzelnen Sätze „Ein Lied für alle Meere, alle Schiffe“, „Am Strand des Nachts, allein“, „Die Wellen“ sowie „Die Entdecker“ wurde von Dennis Russell Davies und dem Ensemble in atemloser Elementarkraft erfasst, riss die Zuhörer stark mit. Der eröffnende Sonatensatz symbolisierte wahrhaft Kampf und Heldentum, der langsame Satz brachte nachdenkliches Innehalten ans Licht. Rhapsodisches Fantasieren in freier Kantatenform offenbarte das grandiose Finale mit Anklängen an die sinfonischen Werke von Havergal Brian. Vaughan Williams schrieb übrigens auch die Begleitmusik zur Krönung von Königin Elisabeth II.
Begeisterter Schlussapplaus. Gerade auch die chromatischen Aufschwünge beeindruckten das Publikum stark.
Alexander Walther