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STUTTGART/ Liederhalle: 2. SINFONIEKONZERT DES STAATSORCHESTERS STUTTGART – zauberhafte Atmosphäre

20.11.2016 | Konzert/Liederabende
  1. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

ZAUBERHAFTE ATMOSPHÄRE

  1. Sinfoniekonzert „Say sea, take me!“ des Staatsorchesters Stuttgart am 20.11.2016 im Beethovensaal der Liederhalle

    Das „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“ von Claude Debussy hat bei seiner Uraufführung im Jahre 1894 seinen Ruhm begründet. Mallarmes Gedicht „L’apres-midi d’un faune“ entfaltet bei Debussy betörende Arabesken und feine Anklänge an Richard Wagner, die sich immer weiter auffächern. Dafür sorgt der Dirigent Sylvain Cambreling mit dem fulminant musizierenden Staatsorchester Stuttgart. Klänge der Magie setzen sich hier durch, erregende harmonische Linien weiten den Horizont. „Liederlichkeit mit bestem Gewissen“ meinte Thomas Mann zu dieser Komposition, die bei dieser eindringlichen Wiedergabe wie hinter Schleiern als traumhafte Vision ins Mittagslicht schwebt. Es ist das verliebte Idyll des Fauns mit seinen weich-sirenenhaften Nymphen. Und das Flötenspiel beschreibt das Liebessehnen passend. Die Nymphen antworten hier in einer satt und sinnlich strömenden Melodie. Diese wandert von den Holzbläsern zu den Streichern, schreckt fast kichernd auf und lässt dem sehnsüchtigen Rufen des Fauns freien Lauf. Vor allem die bukolischen Farben der Holzbläser gelingen dem Staatsorchester Stuttgart exzellent. Beim Konzert für zwei Klaviere und Orchester BWV 1060 von Johann Sebastian Bach triumphiert das Klavierduo Andreas Grau und Götz Schumacher. Akkordmächtig und beweglich agieren hier die Solo-Instrumente, wobei sich die harmonischen Sequenzen stets verdichten oder durchsichtig verfeinern. So kommt es zu reizvollen dynamischen Abstufungen. Das forsche Thema des ersten Satzes kann sich glänzend entfalten. Schier unerschöpflich in seinen Abwandlungen und Kombinationen dominiert der reiche Geist an Empfindung, der das überaus beseelte Spiel des Klavierduos auszeichnet. Als rasanter Dialog zwischen den beiden Solisten erscheint das abschließende Allegro. „Quotation of Dream – say sea, take me!“ des japanischen Komponisten Toru Takemitsu für zwei Klaviere und Orchester aus dem Jahr 1991 beschäftigt sich ebenfalls mit dem Meer, dem Wasser und der Natur. Man merkt, welch ungeheuren und starken Einfluss Claude Debussy auf Takemitsu ausgeübt hat. Flimmern, Schwirren und zerbrechliche Stille über der zauberhaften Klanglandschaft führt zu lichten Schauern. Das Fließen dieser Musik akzentuiert der Dirigent Sylvain Cambreling zusammen mit dem wunderbar leuchtkräftig musizierenden Staatsorchester Stuttgart und dem Klavierduo Grau/Schumacher mit akribischer Brillanz. Almglocken, Celesta und Harfe vereinigen sich zu einem bewegend-eruptiven Klangkosmos. Takemitsu zitiert immer wieder aus Debussys Tondichtung „La Mer“, was zu geschickten Einflechtungen führt. Auf der anderen Seite sind diese Reminiszenzen aber fast schon zu dick aufgetragen. Doch Cambreling entgeht den harmonischen Gefahren, indem er das Staatsorchester Stuttgart zusammen mit dem Klavierduo hauchzart und graziös musizieren lässt. Die Klänge werden in raffinierter Weise eingesammelt. Es werden Assoziationen zu japanischen Gärten geweckt. Japanische Folklore wird hier ebenfalls mit seriellen Strukturen verbunden. Das Werk wurde 1991 durch das London Symphony Orchestra beim Japanfestival uraufgeführt. „La Mer“ von Claude Debussy zeigt einmal mehr die besonderen Qualitäten des Staatsorchesters Stuttgart unter der emotionalen Leitung von Sylvain Cambreling. Das glühende Gestirn steigt hier immer weiter empor, Fluten von Licht werden so über den weiten Ozean gegossen. Fluktuierende Motive und irisierende Klänge erreichen beim „Spiel der Wellen“ starke Höhepunkte. Ein wilder Rhythmus lässt Schaum aufsteigen. Cambreling lässt den gewaltig breiten Atem dieser Musik entfesselt dahinschweben. Die Brandung rauscht in den Harfen auf, es kommt zu einer intensiven Zwiesprache zwischen Wind und Meer. Und im hymnischen Gesang siegt der Schluss. Anklänge an die Klavierzyklen „Estampes“ und „Images“ lassen sich bei dieser ausgezeichneten sinfonischen Umsetzung nicht verbergen. Blitzende Trompeten ergänzen begeisternd das Harfenglissando. Im Geigenflimmern nimmt man die Dissonanzen der Hörner heftig wahr. Jubel. 

Alexander Walther

 

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